Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

404 8 118. II. Die Einheit des Zollgebietes. 
setzlich ermächtigt und verpflichtet zur Anordnung geeigneter Ver- 
kehrsbeschränkungen sind die Verwaltungsbehörden der Einzelstaaten 
aber zur Verhütung der Verbreitung oder Einschleppung der .Rinder- 
pest und anderer übertragbarer Seuchen der Haustiere‘), Auch zur 
Abwehr gefährlicher ansteckender Krankheiten für Menschen dür- 
fen die Einzelstaaten die erforderlichen Maßregeln ergreifen, jedoch 
dürfen im Verhältnis von einem Staat zum anderen keine hemmen- 
deren Einrichtungen getroffen werden, als unter gleichen Umständen 
den inneren Verkehr des Staates treffen, welcher sie anordnet’). Daß 
im Falle von Epidemien außer den Regierungen der Einzelstaaten auch 
der Bundesrat für den ganzen Umfang oder einen Teil des Bundes- 
gebietes zur Anordnung von Beschränkungen hinsichtlich des Waren- 
verkehrs berechtigt ist, ergibt sich aus dem Zollgesetz vom 1. Juli 
1869, 8 2 in Verbindung mit 8 167, Abs. 2 daselbst’). Dagegen kann 
der Bundesrat aus Art. 7, Abs. 2 der Reichsverfassung, auf welchen in 
den ersten Auflagen dieses Werkes aus Versehen Bezug genommen 
worden ist, diese Befugnis nicht herleiten, da es sich nicht um Ver- 
waltungsvorschriften handelt ‘®). 
  
  
sind nicht mehr anwendbar, was Seydel (Komment., 1. Aufl., S. 166) mit Unrecht 
annahm. Denn sie regeln nur das Verhältnis zwischen dem Norddeutschen Bunde und 
den süddeutschen Staaten, dagegen lassen sie das Verhältnis des ersteren zu seinen 
Mitgliedern unberührt. Durch die Gründung des Reiches ist dieses internationale 
Verhältnis durch ein staatsrechtliches ersetzt worden. Vgl. Bd. 1, S. 206 fg.; über- 
einstimmend Delbrück a. a. 0O.S. 24, G. Meyer-Dochow, Verwaltungsrecht 
8 225, II, 1 und jetzt auch Seydel, Komment., 2. Aufl., S. 229. Anderer Ansicht 
HavensteinS.7ff. Die von ihm S.9 fg. gegebene Zusammenstellung der gegen- 
wärtig geltenden Einfuhrverbote enthält aber nur vom Reich erlassene. 
1) Reichsgesetz vom 7. April 1869, $ 1, 2, 9, 10 (Bundesgesetzbl. S. 105). Vieh- 
seuchengesetz vom 26. Juni 1909, $ 7 (Reichsgesetzbl. S. 519). Siehe oben $ 81. 
2) Zollvereinsvertrag Art.4, Abs.5. Dieser Absatz istin Geltung geblieben, 
und zwar nicht nur für den Norddeutschen Bund einerseits und die süddeutschen 
Staaten andererseits, sondern im Verhältnis aller Einzelstaaten zueinander, weil das 
Reich außer dem Gesetz vom 30. Juni 1900 und der internationalen Uebereinkunft 
vom 3. Dezember 1903 von seiner Zuständigkeit zur gesetzlichen Anordnung von 
Maßregeln zur Abwehr von Epidemien bisher keinen Gebrauch gemacht hat. Daß 
jeder Einzelstaat das Recht und die Pflicht hat, solche Maßregeln zu treffen, versteht 
sich von selbst und ergibt sich aus der allgemeinen Pflicht des Staats zur Wohlfahrts- 
pflege. Der wesentliche Inhalt des Abs. 5 ist daher nicht in der gegenseitigen Ein- 
räumung dieses Rechts zu erblicken, sondern in der Beschränkung desselben, 
daß der Verkehr mit anderen Bundesstaaten keinen hemmenderen Vorschriften unter- 
worfen werden darf, als der Verkehr innerhalb des Gebietes des Einzelstaates. Denn 
ohne den Abs. 5 würde jeder Staat dieses Recht unbeschränkt ausüben können. 
Dagegen hat Abs. 5 seine Geltung hinsichtlich der Maßregeln zur Abwehr von Vieh- 
seuchen und der im Gesetz vom 30. Juni 1900 und dem Vertrage vom 3. Dezember 
1903 erwähnten Epidemien verloren. 
3) Hinsichtlich der Beschränkung des Personenverkehrs und anderer Sicher- 
heitsmaßregeln ist der Bundesrat nicht zuständig, solange nicht das Reichsgesetz 
über die Medizinalpolizei erlassen ist, wozu das Reich nach Art. 4, Ziff. 15 der Reichs- 
verfassung kompetent ist. Hinsichtlich derjenigen Epidemien, auf welche sich das 
Reichsgesetz vom 30. Juni 1900 bezieht, gilt dies natürlich nicht mehr. Siehe Bd. 3, $ 81 
4) Vgl. Seydel, Kommentar S. 232.
	        
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