Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

8 97. Der Oberbefehl über die bewaffnete Macht des Reiches. 47 
ö. Es kann ferner zur Anordnung von Kriegsgerichten') 
geschritten werden; die darüber getroffenen Bestimmungen müssen 
aber entweder ausdrücklich in die Bekanntmachung über die Erklä- 
rung des Kriegszustandes aufgenommen oder in einer besonderen, 
unter der nämlichen Form bekannt zu machenden Verordnung ver- 
kündet werden (Ges. $ 5, Abs. 1)?2). Das preußische Gesetz verlangt 
zur Errichtung von Kriegsgerichten, daß zuvor oder gleichzeitig der 
Art. / der preußischen Verfassungsurkunde suspendiert werde°); der 
Art. 7 der preußischen Verfassungsurkunde ist aber fast wörtlich im 
Art. 16 des Gerichtsverfassungsgesetzes wiederholt worden und hat 
sonach durch die Erhebung zum Reichsgesetz seine landesgesetzliche 
Bedeutung verloren. Da nun Art. 16 des Gerichtsverfassungsgesetzes 
ausdrücklich die Ausnahme zufügt: »die gesetzlichen Bestimmungen 
über Kriegsgerichte werden hiervon nicht berührt«, so erscheint eine 
ausdrückliche Suspension des Art. 7 der preußischen Verfassungs- 
urkunde bei Einrichtung der Kriegsgerichte auch in Preußen nicht 
mehr notwendig. 
Vor die Kriegsgerichte gehört die Untersuchung und Aburteilung 
der Verbrechen des Hochverrats, des Landesverrats, des Mordes, des 
Aufruhrs, der tätlichen Widersetzung, der Zerstörung von Eisenbahnen 
und Telegraphen, der Befreiung von Gefangenen, der Meuterei, des 
Raubes, der Plünderung, der Erpressung, der Verleitung der Soldaten 
zur Untreue und der in den 8$ 8 und 9 des Gesetzes mit Strafe 
bedrohten Verbrechen und Vergehen, insofern allegenannten Verbrechen 
und Vergehen nach der Erklärung und Bekanntmachung des Kriegs- 
zustandes begangen oder fortgesetzte Verbrechen sind ($ 10, Abs. 1) °). 
Ueber die Zusammensetzung der Kriegsgerichte, ihre Zahl, die Ver- 
eidigung der Mitglieder, sowie über das vor den Kriegsgerichten zu 
beobachtende Verfahren enthält das in Rede stehende Gesetz in den 
88 11—13 die näheren Vorschriften. Sie sind ergänzt oder abgeändert 
worden durch die Militärstrafgerichtsordnung. $ 20 und 27. Hier- 
nach sind Gerichtsherren der höheren Gerichtsbarkeit der Gouverneur, 
Kommandant oder sonstige Befehlshaber eines in Kriegszustand 
erklärten Ortes oder Distrikts, und zwar über alle zur Besatzung 
gehörenden Militärpersonen. 
1) Diese Kriegsgerichte sind wohl zu unterscheiden von den in der Militär- 
strafgerichtsordnung $ 49 ff. mit demselben Namen bezeichneten Militärgerichten. 
2) Die Einrichtung von Kriegsgerichten ohne Erklärung des Belagerungszu- 
standes ist unzulässig. $ 5, Abs. 2. Ihre Wirksamkeit hört mit der Beendigung. des 
Belagerungszustandes ipso iure auf. $& 14. Die in der Militärstrafgerichtsordnung 
S 419 ff. enthaltenen Vorschriften über die Feld- und Bordgerichte treten durch die 
Erklärung des Kriegszustandes nicht in Anwendung; sie treten nur in den beiden 
im Art. 5 des Einführungsgesetzes angeführten Fällen in Kraft. 
3) Derselbe lautet: „Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. 
Ausnahmegerichte und außerordentliche Kommissionen sind unstatthaft.*® 
4) $ 10, Abs. 2 u. 3 sind unanwendbar geworden.
	        
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