50 8 97. Der Oberbefehl über die bewaffnete Macht des Reiches.
und vollständig ausgeschlossen. Dagegen ist das Reich kompetent,
ein Gesetz über die Erklärung des Bundesgebietes oder eines Teiles
desselben in Kriegszustand zu erlassen, welches auch für Bayern
Geltung haben würde. Diese in Art. 4, Ziff. 14 begründete Kompetenz
ist im Vertrage vom 25. November 1870, III, $ 5, Ziff. VI ausdrück-
lich anerkannt worden.
Dem Ausschluß des Rechts des Kaisers zur Erklärung des Kriegs-
zustandes entspricht es, daß der König von Bayernin seinem
Staatsgebiete zur Ausübung desselben befugt ist. Demgemäß hat das
Reichsgesetz vom 22. April 1871, 8 7 (Reichsgesetzbl. S. 89) bestimmt,
daß an Stelle des 8 4 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch
für Bayern es bis auf weiteres bei den einschlägigen Bestimmungen
des Militärstrafrechts, sowie bei den sonstigen Vorschriften über das
Standrecht sein Bewenden hat, und ebenso ist in das Gerichts-
verfassungsgesetz Art. 16 die Klausel aufgenommen worden, daß von
diesem Artikel die gesetzlichen Bestimmungen über Standrechte nicht
berührt werden. In Bayern ist das Gesetz über den Kriegszustand
vom 5. November 1912 ergangen (Gesetz- und Verordnungsblatt S. 1161),
welches in materieller Hinsicht sich an das preußische Gesetz vom
4. Juni 1851 anschließt '). |
4. Durch das Reichsgesetz vom 30. Mai 1892 (Reichsgesetzbl. S. 667)
sind besondere Bestimmungen über die Vorbereitung des Kriegs-
zustandes in Elsaß-Lothringen ergangen, welche ebenfalls nur
bis zum Erlaß des im Art. 68 der Reichsverfassung in Aussicht
genommenen Gesetzes gelten sollen. Sie betreffen nur den Fall eines
Krieges oder eines unmittelbar drohenden feindlichen Angriffes, nicht
den Fall eines Aufruhrs. Das Wesentliche besteht darin, daß jeder
oberste Militärbefehlshaber, wenn er mindestens in der Dienststellung
eines Stabsoffiziers sich befindet, zum Zweck der Verteidigung in dem
ihm unterstellten Orte oder Landesteille vorläufig die Ausübung
der vollziehenden Gewalt übernehmen kann. Erhataber unverzüg-
lich die Entscheidung des Kaisers über die Verhängung des Kriegs-
zustandes einzuholen. Die Maßregel hat daher in allen Fällen eine
ganz vorübergehende Dauer; entweder tritt der Kriegszustand auf
Grund kaiserlicher Anordnung an ihre Stelle oder sie wird beseitigt.
Die Uebernahme erfolgt durch eine, in ortsüblicher Weise öffentlich
bekannt zu machende Erklärung des obersten Militärbefehlshabers
gegenüber der Zivilverwaltungsbehörde des betreffenden Ortes oder
Landesteiles. Die Wirkung dieser Erklärung besteht darin, daß die
Zivilverwaltungs- und Gemeindebehörden den Anordnungen und Auf-
trägen der Militärbefehlshaber Folge zu leisten haben. Die Verant-
wortlichkeit für ihre Anordnungen und Aufträge tragen die Militär-
befehlshaber.
1) Vel über das in Bayern geltende Recht Seydel-Graßmann, Bayr. Ver-
waltungs-Recht S. 253 ig.