574 $ 131. Die Rechnungskontrolle und Entlastung der Verwaltung.
dem Recht zur Führung der Verwaltung in ebenso untrennbarem Zu-
sammenhange steht, wie das Begnadigungsrecht mit dem Recht der
Gerichtsbarkeit, so ergibt sich, daß das Recht zur Niederschlagung auf
den der Selbstverwaltung der Einzelstaaten überlassenen Gebieten nicht
dem Kaiser, sondern dem Landesherren und Senaten der freien Städte
gebührt. Die Erwägung, daß die Reichskasse von solchen Verfügungen
betroffen wird, kann an diesem Satze nicht irre machen; denn sie
trifft auf alle Verwaltungshandlungen der Einzelsaaten in diesem Ver-
waltungszweigen zu. Indem die Reichsverfassung die Einzelstaaten
mit der Verwaltung gewisser Geschäftskreise auf Rechnung des Reiches
betraut, unterwirft sie die Reichskasse dieser davon unzertrennlichen
Einwirkung der Einzelstaaten, und es kann nicht von Belang sein,
ob es die Verfügung einer Zolldirektion oder Intendantur oder die Ka-
binettsordre eines Landesherrn ist, welche diese Einwirkung hervor-
bringt. In scheinbarem Widerspruch damit steht aber der Satz der
Reichsverfassung, daß der Reichskanzler über die Verwendung aller
Einnahmen Rechnung zu legen und sich die Entlastung zu erwirken
hat. Denn hierdurch wird in der Tat die Verantwortlichkeit des Reichs-
kanzlers auch für diese Zweige der finanziellen Verwaltung begründet.
In dieser Hinsicht besteht aber zwischen den beiden erwähnten Ver-
waltungen eine erhebliche Verschiedenheit:
a) Im Gebiet der Zoll- und Steuerverwaltung ist jede Kol-
lision ausgeschlossen. Der praktisch allein in Betracht kommende
Fall der Niederschlagung von Ansprüchen gegen Beamte wegen Pflicht-
widrigkeit und Defekte ist seines Interesses für die Reichsfinanzen
dadurch völlig beraubt, daß die Einzelstaaten dem Reich dafür auf-
kommen müssen '). Die Niederschlagung solcher Ansprüche steht
daher lediglich unter den Regeln des Landesrechts; eine Verantwor-
tung für dieselbe tragen nur die Landesregierungen gegenüber den
Landtagen und die Verantwortlichkeit des Reichskanzlers ist auf die
Aufsicht darüber beschränkt, daß die Einzelstaaten den vollen Betrag
der für Rechnung des Reiches erhobenen oder zu erhebenden Ein-
nahmen auch wirklich abliefern oder zur Verrechnung stellen. Im
übrigen übt das Reich durch seine Zollbevollmächtigten eine fortwäh-
rende Kontrolle über die Beobachtung der Reichsgesetze und der vom
Reich erteilten Verwaltungsvorschriften aus; die Kosten der Verwal-
tung aber tragen die Einzelstaaten und empfangen dafür Prozente des
Bruttoertrages. Siehe oben $ 125.
b) Die Militärausgaben dagegen treffen die Reichskasse, sie
unterliegen der Prüfung durch den Rechnungshof und der Reichskanz-
ler hat über sie Rechnung zu legen. Da aber die Militärverwaltung
richtig darlegt, dieselben Grundsätze wie für die unmittelbare Reichsverwaltung zur
Anwendung. Siehe auch Bd. 3, S. 150.
)) Siehe oben S. 509 und Jo&1 S. 835 ff.