Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

594 Anhang. Die neuere deutsche Literatur über das Budgetrecht. 
Mit Hilfe dieses Dogmas ist natürlich mit Leichtigkeit der Beweis zu er- 
bringen, daß auch ein Voranschlag von Einnahmen und Ausgaben, 
dadurch daß er im Wege der Gesetzgebung festgestellt wird, eine funda- 
mentale Umänderung seiner rechtlichen Natur erfährt und »zur Rechts- 
vorschrift« wird. Die Schwierigkeit besteht allein darin, für dieses 
Dogma Gläubige zu finden. 
Zu dieser wundertätigen Form genügt, wie HänelS. 149 ff. aus- 
führt, das Zusammenwirken der gesetzgebenden Faktoren nicht; es 
müssen noch andere »formale Bedingungen« hinzutreten, die Aus- 
fertigung der Gesetzesurkunde und die Verkündigung!). Allein S. 340 
erklärt Hänel, daß die nachträgliche Genehmigung von Eitatsab- 
weichungen eine »Abänderung des Budgetgesetzes sei, welche nicht in 
der Form des Gesetzes, sondern in der Form einseitiger Beschlüsse 
jeder der beiden gesetzgebenden Körperschaften geschieht«. Hier hätten 
wir also ein Gesetzohne Gesetzesform, undes vollzieht sich 
ein neues Wunder, indem die Genehmigung einer Ausgabe sich in eine 
Rechtsvorschrift auch ohne Anwendung jener wundertätigen Form um- 
wandelt. 
So verlockend es an sich wäre, Hänel auch noch weiter in die 
Irrgänge seiner Deduktionen zu verfolgen und die Trugschlüsse, deren 
er sich bedient, und die Widersprüche, in welche er sich verwickelt, 
aufzudecken, so muß ich doch hier darauf verzichten und mich auf 
eine Erörterung seiner Budgettheorie beschränken. 
Hänel konstatiert zunächst, daß das deutsche Staatsrecht »zwei 
Typen« des Budgetrechts aufweise, die gerade am entscheidenden 
Punkte grundsätzlich verschieden sind, nämlich das System Bayerns 
und Sachsens, nach welchem nur die periodischen Steuern durch Ge- 
setz bewilligt werden, dagegen das Budget selbst (der Wirtschaftsplan) 
nicht in die Form des Gesetzes gekleidet wird, — und das preußisch- 
deutsche, nach welchem der Staatshaushaltsetat selbst im Wege des 
Gesetzes festgestellt wird. Dieser Doppeltypus ist für die folgenden 
Erörterungen sehr unbequem. Denn das Budget ohne Gesetzesform 
und das Budget mit Gesetzesforrm haben genau denselben In- 
halt; für das Budget ohne Gesetzesform behauptet Hänel selbst 
nicht, daß es »HRechtssätze« enthalte; allen Ausführungen Hänels, 
die darauf hinauslaufen, daß der Etat nach seinem Inhalt und Wesen 
ein Gesetz mit Rechtsinhalt, eine Rechtsvorschrift sei, könnte man 
durch den Hinweis auf jenen bayerischen Typus begegnen, wo der 
Etat ganz denselben Inhalt hat und doch nicht Gesetz ist. Hänel 
sucht sich daher diesen ihm unbequemen »Typus« vom Halse zu 
schaffen, indem er ihn — ähnlich wie die Gesetze ohne Rechtsinhalt — 
1) Unaufgeklärt läßt Hänel die bindende Kraft der Reichstagsbeschlüsse über 
die einzelnen Etatstitel, die doch weder in den „Gesetzestext“ aufgenommen noch 
verkündigt werden.
	        
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