Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

$ 100. Die Festungen und Kriegshäfen. 79 
aus eigenen Mitteln bestreiten wollten, da alle Festungen ein einheit- 
liches Verteidigungssystem bilden. Das Vorhandensein einer Festung 
kann in großem Maße die Fürsorge für Handel und Verkehr u. dgl. 
hindern oder erschweren. Andererseits ist dem Reiche gesetzlich die 
Pflicht auferlegt, daß wofern sich in den Reichsfestungen die für den 
öffentlichen Verkehr bestimmten Tore und Torbrücken im Laufe der 
Zeit als unzulänglich für diesen Verkehr erweisen, auf Antrag der Ge- 
meinden diese Tore und Torbrücken, soweit ein fortifikatorisches 
Interesse nicht entgegensteht, auf Kosten des Reiches erweitert wer- 
den. Die Entscheidung hierüber wird in letzter Instanz durch die 
vereinigten Ausschüsse des Bundesrates für Handel und Verkehr und 
für das Landheer und die Festungen getroffen!). Diese Bestimmung 
findet auf die bayerischen Festungen keine Anwendung, denn diesel- 
ben sind nicht »Reichsfestungen«, sondern »Landesfestungen«. 
3. Die militärische Verfügung über die Festungen und 
Kriegshäfen steht dem Kaiser zu. Es ergibt sich dies schon aus dem 
allgemeinen Grundsatz, daß alle Truppen, also auch die Besatzungs- 
truppen, seinen Befehlen unbedingte Folge zu leisten haben. Das 
ihm zustehende Dislokationsrecht ermächtigt ihn, die zur Besatzung 
zu verwendenden Truppenteile aus allen Kontingenten zu wählen ?) 
und der Art und Zahl nach zu bestimmen. Ferner erstreckt sich die 
ihm nach allgemeinen Verfassungsprinzipien obliegende Beaufsichti- 
gung (Reichsverfassung Art. 4, Ziff. 14), sowie das ihm speziell einge- 
räumte Recht der Inspektion und das Recht, die Abstellung der vor- 
gefundenen Mängel anzuordnen (Reichsverfassung Art. 63, Abs. 3), 
nicht nur auf die Truppen selbst, sondern auch auf die gesamte Aus- 
rüstung und alle militärischen Anstalten, folglich auch auf die Fe- 
stungen, ihren baulichen Zustand, ihre Armierung, Verproviantierung 
usw. Wegen der Wichtigkeit der Festungen ist zur Sicherung dieser 
im militärischen Oberbefehl enthaltenen Befugnisse dem Kaiser das 
Recht eingeräumt, alle Festungskommandanten zu ernennen). 
Wird in einer Festung der Kriegszustand erklärt, so geht die voll- 
ziehende Gewalt an den Festungskommandanten über, und ebenso 
die höhere Militärgerichtsbarkeit über sämtliche zur Besatzung gehö- 
rende Militärpersonen aller Kontingente !). 
1) Reichsgesetz vom 30. Mai 1873, Art. IV, Abs. 2 (Reichsgesetzbl. S. 124). Vgl. 
Bd. 1, S. 289. 
2) Soweit durch Militärkonventionen die Ausübung des Dislokationsrechtes ein- 
geschränkt worden ist, sind gerade die Festungen davon ausgenommen worden. 
Siehe oben S. 41, Note 1. 
3) Reichsverfassung Art. 64, Abs. 2. Nur über die Ernennung der Kommandanten 
der in Württemberg gelegenen festen Plätze hat der Kaiser sich vorher mit 
dem König von Württemberg in Vernehmen zu setzen. Militärkonvention Art. 7. 
Ueber Ulm siehe unten Nr. 5. Die Festungskommandanten sind aber keineswegs, 
wie GümbelS. 181 sagt, „in vollem Sinn Reichsbeamte“. 
4) Gesetz über den Belagerungszustand vom 4. Juni 1851, $ 1, 2, Abs. 3, 4, 7. 
Militärstrafgerichtsordnung 8 27.
	        
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