Full text: Das Kaisertum in den Verfassungen des Deutschen Reiches vom 28. März 1849 und vom 16. April 1871.

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europäischen Völker entspricht aber dieser Titel nur 
mehr selten völlig dem rechtlichen Charakter der 
staatlichen Stellung seines Trägers. So haben wir 
auch in den Staatssystemen der Verfassungen des 
Deutschen Reichs von 1849 und 1871 einen „Kaiser“, 
aber das Wesen wahrer kaiserlicher Gewalt ist in 
der Summe der kaiserlichen Rechte hier wie dort 
nicht enthalten. Denn der Kaisertitel als der höchste, 
den der Sprachgebrauch für den Inhaber staatlicher 
Gewalt kennt, ist eigentlich nur dann wahrhaft be- 
rechtigt, wenn sein Träger wenigstens im nationalen 
Staate eine monarchische Gewalt repräsentiert. 
Eine solche stellt aber, wie unten darzulegen sein 
wird, weder das Kaisertum der geltenden Reichs- 
verfassung noch das der Paulskirche dar. 
Im übrigen besteht ein wichtiger Unterschied 
zwischen dem Kaisertitel von 1849 und dem von 1811. 
Art. 11 der geltenden Reichsverfassung spricht vom 
„Deutschen Kaiser“, während $ 70 der Frankfurter 
Verfassung dem „Reichsoberhaupt* den Titel „Kaiser 
der’ Deutschen“ gibt. Man hat behauptet, dass die 
Titelform im geltenden Reichsstaatsrecht juristisch 
irrelevant sei®). Dem ist nicht zuzustimmen. Denn 
m. E. weist eine Form des Kaisertitels wie die der 
Frankfurter Verfassung unzweideutig hin auf ein 
Untertanenverhältnis „der Deutschen“ gegenüber dem 
Kaiser”). Dagegen lässt die Bezeichnung „Deutscher 
6) Herm. Schulze, Lehrbuch des Deutschen. Staats- 
rechts, Bd. II, Leipzig 1886, S. 41. Anders mit Recht von Held, 
Das Kaisertum als Rechtshegriff. Würzburg 1879. S. 32 Anm. 4. 
t) In den Verhandlungen der Paulskirche ist der $ 70 der 
Verf. in beiden Lesungen nicht diskutiert worden. Man pflegte 
allerdings damals allgemein in dem Titel „Kaiser der Deutschen“ 
den Ausdruck der Volkssouveränität zu finden, eine Auffassung, 
die auch dem Titel „empereur des Francais“ zugrunde lag.
	        
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