Full text: Lehrpläne und Lehraufgaben für die höheren Schulen in Preußen von 1901.

Rechnen und Mathematil. 59 
Gebiete näher zu umgrenzen, scheint zunächst nicht angängig. Es soll 
auch nicht als durchaus notwendig bezeichnet werden sie eingehender zu 
betreiben. Aber andererseits soll die Möglichkeit, diese Disziplinen 
unterrichtlich genauer durchzuarbeiten, nicht vorenthalten werden. Die 
so gesammelten Erfahrungen werden späterhin eine mehr ins einzelne 
gehende Festsetzung der Lehrziele ermöglichen. 
8. Für die oberste Klasse des Gymnasiums ist die Einführung 
der Schüler in den wichtigen Koordinatenbegriff sowie eine möglichst 
einfach gehaltene Darstellung einiger Grundeigenschaften der Kegel- 
schnitte, die auch in synthetischer Form gegeben werden kann, vor- 
gesehen. Aber es ist weder in analytischer noch in sogenannter neuerer 
Geometrie ein systematischer Unterricht beabsichtigt. Ebensowenig er- 
fordern die zum Verständnis der mathematischen Erd= und Himmels- 
kunde nötigen Formeln eine eingehende Behandlung der sphärischen 
Trigonometrie. Sie lassen sich in einfacher Weise bei der Behandlung 
der dreiseitigen Ecke ableiten. Jedenfalls ist hier wie überall darauf 
zu achten, daß neben der Sicherheit der Kenntnisse Gewandtheit in 
deren Anwendung zu erstreben ist, und daß dieser Gesichtspunkt bei 
der Auswahl und Ausdehnung des Lehrstoffes maßgebend sein muß. 
9. Dem Übelstande, daß der Unterricht auf der Oberstufe einen 
zu ausschließlich rechnerischen Charakter annimmt, wird sich durch 
Fortsetzung der Übungen in geometrischer Anschauung und Konstruktion 
steuern lassen. Besonders ist im stereometrischen Unterrichte, ganz 
abgesehen von dem Betriebe der darstellenden Geometrie, das Ver- 
ständnis projektivischen Zeichnens vorzubereiten und zu unterstützen. 
10. In der obersten Klasse wird auf den verschiedenen Lehr- 
gebieten neben der fortgesetzten Ubung im Lösen von Aufgaben eine 
zusammenfassende Rückschau auf den erledigten Lehrstoff anzustreben 
sein. Dabei wird sich Gelegenheit bieten, den Schülern ein ein- 
gehendes Verständnis des Funktionsbegriffes, mit dem sie schon auf 
früheren Stufen bekannt geworden sind, zu erschließen. 
11. Die selbständige Bedeutung, welche der Mathematik auf 
den höheren Lehranstalten zukommt, schließt nicht aus, daß — vor 
allem auf der Oberstufe — der Unterricht Gewinn davon hat, wenn 
durch die Aufgaben, deren Lösung er verlangt, auch die Anwend- 
barkeit der Wissenschaft auf anderen Gebieten, sei es des Lebens, sei 
es besonders der physikarischen Wissenschaften aufgezeigt und die Ge- 
legenheit geboten wird, den mathematischen Sinn durch die ÄAnwendung 
auf diese Gebiete zu üben. So wird es gestattet sein, die Teile der 
Physik, welche eine Verwertung zu Aufgaben zulassen, auch nach dieser 
Richtung noch mehr auszunützen und Übungen dieser Art nicht nur 
in den physikalischen, sondern auch u den mathematischen Stunden 
vorzunehmen. An dem Gymnasium werden freilich bei der Beschränkung 
 
	        
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