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Matthias Greitter, sei es Laien wie der Maler Heinrich Vogtherr,
der sich besonders kräftig und glaubensfroh vernehmen ließ. Ihnen
schließt sich später der Buchdrucker Schweinitzer (ein Anhänger der
schwenkfeldischen Secte) an und verschiedene Geistliche, wie der aus
Freiburg vertriebene Ludwig Oeler, der mit Zell eng befreundete
Johann Englisch, der Lothringer Wolfgang Musculus, der eine
Zeit lang Butzers Secretär war, und der Elsässer Konrad Hubert
aus Bergzabern, Butzers Helfer und treuester Freund, „gar ein frommer
Junge, ganz einer fründlichen gütigen Art"“, wie Butzer den vier-
undzwanzigjährigen schildert.
Meist sind es, wie allgemein im evangelischen Kirchenlied, die
Psalmen und andere biblische Gesänge oder Gebete, an deren Ueber-
setzung man sich versucht, ohne eigene Conceptionen zu wagen.
Ueber die Melodien, die in Straßburg entstanden, urtheilt der
berufenste Kenner: sie tragen ein sehr ernstes, fast herbes Gepräge
an sich. Die meisten unter ihnen gehen in Tönen von ganz gleicher
Dauer einher; ungerader Tact, rhythmischer Wechsel sind allen fremd;
man möchte glauben, sie enthielten sich absichtlich jedes Schmuckes.
Auch die überwiegende Molltonart trägt dazu bei, ihnen eine düstere
Färbung zu verleihen. Ebendeshalb ist eine dauernde und tiefgreifende
Vermehrung des ältesten evangelischen Liederschatzes von Straßburg
nicht ausgegangen. Vielleicht hat keine andere Stadt so viele
Dichternamen aufzuweisen: aber nur drei hier entstandene Sing-
weisen haben allgemeinen Anklang gefunden: „O Herre Gott, be-
gnade mich“, „Es sind doch selig alle die“, beide von Greitter, und
„An Wasserflüssen Babylons“ von Dachstein, wonach jetzt allgemein
Paul Gerhards Passionslied „Ein Lämmlein geht und trägt die
Schuld“ gesungen wird. Auch als Gedicht zeichnet sich das letzt-
genannte vor vielen Kirchenliedern jener Zeit aus, durch melodischen
leichten Fluß des Verses, durch den großartigen Inhalt und die
Plastik mit der er herausgearbeitet ist: der Psalm der erxilirten
Juden erhielt in der gewaltigen Zeik neue Bedeutung: wir haben
die Schlußstrophe zu Eingang des Kapitels mitgetheilt.