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also trotz alledem in den ersten Jahren nur langsam Früchte zu
zeitigen. Aber schon unter der nächsten Generatien machte die Ka-
tholisirung erstaunliche Fortschritte. Im Jahre 1728 war die Anzahl
der katholischen JLamilien um mehr als das fünffache erhöht, denn
es wurden 582 Kinder katholisch getauft. Die Protestanten bilden
noch die Majorität mit 752 Taufen, aber die Eheschließungen in
beiden Confessienen halten sich bereits in diesem Jahre die Wage,
hier 184, dort 182. Dieses Verhältnis bleibt bis in die Vierziger
Jahre ziemlich constant, wo die katholischen Ehen sehr rasch auf 256
steigen gegen 164 protestantische. Unter den letztern starben die
Reformirten fast ganz aus. Im Jahre 1790 war das Verhältnis
221:181; katholische Taufen gab es 1017, protestantische 652. Die
Gesammtzahl der Bevölkerung war um die Mitte des 18. Jahr-
hunderts auf 48170 Menschen gestiegen.
Wer diese Bevölkerung betrachtete, unter welcher etwa 500 Or-
densleute beider Geschlechter sich befinden mochten, der konnte kaum
das alte protestantische Straßburg des sechzehnten Jahrhunderts
wieder erkennen. Die gewaltige Katastrophe des Jahres 1681 hatte
ihre Wirkungen zwar nicht auf das nationale Bewußtsein ausgedehnt,
aber in dem religiösen und politischen Charakter dieser deutschen
Bürger war eine Wandelung ohne gleichen vor sich gegangen. Die
Geschichte darf aber, indem sie das große Ereignis nach allen Seiten
hin würdigt und deutet, der Schicksale eines einzelnen Mannes nicht
vergessen, der an dem Wendepunkte zweier Zeitalter seiner Vaterstadt
als ein Opfer des alten Glaubens und der alten deutschen Freiheit
steht, der Altammeister Dominikus Dietrich. Gerade dieser
war es, dem man fast in ganz Deutschland den hartnäckig geglaubten
Verrath der Stadt vorzugsweise zuschrieb, es waren bestimmte Be-
hauptungen solcher Art in deutschen Zeitungen gemacht, zwar wider-
rufen worden, aber der Verdacht blieb an seinem Namen haften,
bis neuere elsässische Geschichtsforschung und Biographie ein unbe-
fangeneres Urtheil über diesen Mann begründete. Wie wenig glaub-
würdig die Gerüchte über Dietrich waren, hätte schon daraus ent-