Full text: Geschichte des Elsasses von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart.

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besaß, welche die französischen Politiker mit leidenschaftlicher Schärfe 
seit Jahren erörterten. Eine Thätigkeit, wie sie Sieynes entfaltete, 
hatte in dem seit Jahrhunderten bürgerlich und stadtrechtlich ent- 
wickelten Lande keinen rechten Boden. Der Essai sur les priviléges 
konnte hier keinen Anklang finden, wo man politische Freiheit eben 
ven der privilegirten Stellung, welche man bei der Capitulation 
ausdrücklich vorbehalten, für untrennbar erachtete. Die Agitation für 
den dritten Stand gab den Bürgern der elsässischen Städte keine 
Anknüpfungspunkte für eine politische Thätigkeit, und die Ausdeh- 
nung der bürgerlichen Rechte auf die ganze Nation rief in ihnen 
die schwersten Bedenken hervor. 
Man hatte zwar auch in Straßburg mancherlei Klagen gegen 
die alten Geschlechter, und noch mehr gegen die Polizeiverwaltung 
und gegen die Herren Fünfzehner, aber die Bewegungen, die in Folge 
davon entstanden, waren nicht verschieden von denen, welche im 14. 
und 15. Jahrhundert stattgefunden hatten. In der Zeit, wo man 
in Frankreich die Theorien des constitutionellen Staates entwickelte, 
wo man die englische Verfassung mit vielem Mieverständnis zu 
einem für die ganze Welt passenden Kleid zurechtschnitt, wo man 
die Grundlagen der gesammten alten Staatseinrichtungen erschütterte, 
nahm in Straßburg die Frage über die Einführung neuer städtischer 
Fleischwagen das Interesse der gesammten Bevölkerung ausschließlich 
in Anspruch. Seit dem Jahre 1784 hatte diese Angelegenheit 
zwischen Stadtrath, Metgerzunft und Bevölkerung eine nicht zu 
beendende Reihe von Streitigkeiten und Verhandlungen hervorge- 
rufen, welche viel Staub aufwirhelten, in denen aber doch der Wunsch 
und das Bedürfnis einer neuen Ordnung der Stadtmagistrate in 
ernster Weise hervortrat. Die Reformbestrebungen, welche in Straß- 
burg der Revolution vorhergingen, trugen immer noch das Gepräge 
der historischen Entwickelung einer deutschen Stadt an sich. Was 
man hier unter Erweiterung der bürgerlichen Freiheiten verstand, 
das hatte gar wenig mit der Freiheitsbewegung gemein, welche in 
Paris immer vernehmbarer wurde.
	        
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