160 Das Hauptquartier des Oberbefehlshabers Ost in Kowno Oktober 1915 bis Juli 1916
Er verband mit großer Arbeitskraft und Beherrschung der Zeitungstechnik
ein selbständiges und gereiftes politisches Urteil und ist mir so von großem
Nutzen gewesen. Er arbeitete vorher im Ullstein -Verlage, während der
Schriftleiter der „Kownoer Zeitung", Leutnant Osman, Mitarbeiter der
„Deutschen Tageszeitung“ war. In seinem warmen nationalen Empfinden
entsprach er meinen Anforderungen.
Ich gab allen Zeitungen die klare Weisung, Vorgänge in Deutschland
im Sinne der Reichsleitung zu besprechen.
Politische Betätigung der Bevölkerung konnte ich naturgemäß nicht
zulassen. Sie wurde verboten; auch alle Versammlungen blieben untersagt.
Trotz der erforderlichen Verkehrsbeschränkungen ließ ich für die Be-
völkerung den Briefverkehr in gewissem Umfange zu. Ich richtete mit
Unterstützung des Reichspostamtes eine Landespost ein. Es galten Reichs-
postmarken, die durch einen besonderen Aufdruck für das Gebiet des Ober-
befehlshabers Ost kenntlich gemacht waren.
Wir erleichterten schließlich auch den Verkehr der Litauer und Juden
mit ihren Stammesverwandten in den Vereinigten Staaten.
Wir sahen mit Genugtuung, daß die Verhältnisse im Lande sich
festigten und das Leben dort wieder in geregelte Bahnen kam. Der
Ordnungssinn des Deutschen und sein Verständnis für Hygiene setzten sich
durch. Der Landmann verdiente mehr als in russischer Zeit. Der Handel
in den Städten stellte sich neu ein.
Die Bevölkerung wurde mit ruhiger Sicherheit geleitet. Gegen den
Grußzwang, wie er von einer Armee eingeführt wurde, sprach ich mich aus.
Sie wird jetzt erkennen, daß wir nach Recht und Billigkeit gehandelt haben.
IX.5
Die wirtschaftlichen Anordnungen, die für das besetzte Gebiet getroffen
waren, wurden im Operationsgebiet von den Truppen übernommen.
Namentlich entstanden im Truppenbereich viele Sägewerke; hier war nicht
nur der Bretterverbrauch stark, sondern auch der Bedarf an Holzwolle für
die Lagerstätten von Offizier und Mann und als Streu für die Pferde hoch.
Den Truppen machte in dem Einerlei des Stellungskrieges die Betätigung
im Wirtschaftsleben viel Freude.
Ich hatte dasselbe Empfinden und war zufrieden, auch auf anderen
Wegen als bisher dem Vaterlande helfen zu können. Eine ungemein an-
regende Arbeit war mir zugefallen, die mich stark in Anspruch nahm. Ich
lernte prächtige Menschen kennen und habe mich auf vielen mir bis
dahin fremden Gebieten betätigen dürfen. Es war mir eine große Genug-
tuung, daß die Herren der Militärverwaltung mir mit uneingeschränktem