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Jetzt wird es also begreiflich, daß der Maulwurf immer da ist, wo
das Gras und die Pflanzen krank sind und absterben, weil die Quatten
da sind, denen er nachgeht und die er verfolgt. Und dann muß er's getan
haben, was diese anstellen, und bekommt für eine Wohltat, die er euch
erweisen will, des Henkers Dank.
Das hat wieder einer in der Stube erfunden oder aus Büchern gelernt,
werdet ihr sagen, der noch keinen Maulwurf gesehen hat.
Halt, guter Freund, der das sagt, kennt den Maulwurf besser als ihr
alle und eure besten Schermäuser, wie ihr sogleich sehen werdet. Denn ihr
könnt zweierlei Proben anstellen, ob er die Wahrheit sagt.
Erstlich, wenn ihr dem Maulwurf in den Mund schaut. Denn alle
vierfüßigen oder Säugetiere, welche die Natur zum Nagen am Pflanzen—
werk bestellt hat, haben in jeder Kinnlade, oben und unten, nur zwei einzige
und zwar scharfe Vorderzähne und gar keine Eckzähne, sondern eine Lücke
bis zu den Stockzähnen. Alle Raubtiere aber, welche andere Tiere fangen
und fressen, haben sechs und mehr spitzige Vorderzähne, dann Eckzähne auf
beiden Seiten und hinter diesen zahlreiche Stockzähne. Wenn ihr nun das
Gebiß eines Maulwurfs betrachtet, so werdet ihr finden: er hat in der
oberen Kinnlade sechs und in der untern acht spitzige Vorderzähne und hinter
denselben Eckzähne auf allen vier Seiten, und daraus folgt: es ist kein Tier,
das an Pflanzen nagt, sondern ein kleines Raubtier, das andere Tiere frißt.
Zweitens, wenn ihr einem getöteten Maulwurfe den Bauch auf—
schneidet und in den Magen schaut. Denn was er frißt, muß er im Magen
haben, und was er im Magen hat, muß er gefressen haben. Nun werdet
ihr, wenn ihr die Probe machen wollt, nie Wurzelfasern oder so etwas in
dem Magen des Maulwurfs finden, aber immer die Häute von Engerlingen,
Regenwürmern und anderem Ungeziefer, das unter der Erde lebt.
Wie sieht's jetzt aus?
Wenn ihr also den Maulwurf recht fleißig verfolgt und mit Stumpf
und Stiel vertilgen wollt, so tut ihr euch selbst den größten Schaden und
den Engerlingen den größten Gefallen. Da können sie alsdann ohne Ge-
fahr eure Wiesen und Felder verwüsten, wachsen und gedeihen und im Früh-
jahr kommt alsdann der Maikäfer, frißt euch= die Bäume kahl wie Besenreis
und bringt euch zur Vergeltung auch des Kuckucks Dank und Lohn.
So sieht's aus. Johann Peter Hebel.
89. Die Ziege.
Für viele wirtschaftliche Verhältnisse ist die Ziege als das Haustier
des Kleinbauern von größter Bedeutung. Die Ziegenhaltung erfordert
wenig Raum und geringes Betriebskapital, weil die Ziege mit Wald-
und Raingras, Laub, Zweigen, Garten= und Küchenabfällen, kurz mit
Futter, welches von andern Haustieren nicht ausgenommen wird, zufrieden
ist. Sie ist in der Lage unfruchtbare Hänge, welche nur sehr minder-