Full text: Geheime Mächte - Internationale Spionage und ihre Bekämpfung im Weltkrieg und heute.

110 Auf den Kriegsschauplätzen 
Abwurf von Zeitungen und Flugschriften in französischer und deutscher 
Sprache, um die Stimmung der eigenen Landsleute im besetzten Gebiet 
zu heben und aufzureizen, die der Deutschen aber zu drücken, ausschließ- 
lich durch Flieger. Da die Oberste Heeresleitung dieses Vorgehen als 
außerhalb der Kriegshandlung stehend betrachtete und dementsprechend 
gefangene Flieger behandelte, die sich des Abwurfes von Propaganda- 
schriften schuldig gemacht hatten, so trat an die Stelle der Flieger der Ab- 
wurfballon. Er war konstruiert wie diejenigen für den Abwurf von Nach- 
richtenmitteln. Er hatte aber eine größere Flugweite, die gegen Ende 
des Krieges bis zu 600 km reichte. Die Ballons gelangten damit bis in 
das deutsche Heimatgebiet, besonders auch in die Industriegebiete des 
Nordwestens. Jeder Ballon trug bis 400 Zeitschriften. Der Abwurf 
erfolgte in kleineren Bündeln automatisch durch eine glimmende Zünd- 
schnur, die den haltenden Faden durchsengte. Für die Bevölkerung in 
Belgien und Frankreich wurden hauptsächlich neue französische Tages- 
zeitungen, gefälschte Nummern der „Gazette des Ardennes“, sowie 
eigens hergestellte Schriften wie „La voix du pays“, „Courrier de Tair“, 
„Lettres à tous les français“ abgeworfen. Die Schriften für die deut- 
schen Truppen enthielten Aufforderungen zum Uberlaufen, zu Streik 
und Revolution. Gefälschte Nummern deutscher Jeitungen stellten die 
Zustände in der Heimat in aufreizendem Lichte dar. Falsche Briefe 
deutscher Kriegsgefangener in Frankreich und England, auch Abbil- 
dungen über die angeblich beneidenswerte Behandlung deutscher Kriegs- 
gefangener in beiden Ländern sollten die deutschen Truppen zum Uber- 
laufen verleiten und aufreizende Bilder die Stimmung der deutschen 
Truppen zersetzen. 
Uber diese Seite der Tätigkeit des feindlichen Nachrichtendienstes lag 
bereits ein großes Beweismaterial vor, als die deutsche Oberste Heeres- 
leitung im Jahr 1917 sich in Kreuznach befand. Die Sammlung des 
Propagandamaterials bestand aus außerordentlich geschickt hergestellten 
Broschüren, Heften in Poesie und Prosa, einzelnen Blättern und Bil- 
dern. Es bedeckte den Tisch in meinem Vortragszimmer, an dem 
12 Personen Mlatz hatten, in mehreren Schichten, obgleich jede einzelne 
Schrift nur einmal in der Sammlung vertreten war. General Ludendorff 
befahl, das Material einer Gruppe kurz darauf im Großen Haupt- 
quartier eintreffender Parlamentarier vorzuführen. Soweit diese jener 
Richtung angehörten, die an eine andere Entscheidung des Krieges als
	        
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