Auf den Kriegsschauplätzen 111
durch die Waffen glaubten, erregte es bei ihnen ungläubige Zweifel.
Es war unmöglich, sie von dem Haß und dem Vernichtungswillen des
Feindes zu überzeugen. An der Front hatten die Nachrichtenoffiziere
dafür zu sorgen, daß das feindliche Propagandamaterial von den Trup-
pen abgeliefert wurde. Sie waren ermächtigt, Belohnungen dafür zu
zahlen. Es bedurfte dieses Anreizes aber nicht. Die Truppen lehnten
die feindliche Propaganda selbst ab. Erst als diese in der deutschen
Heimat Fuß gefaßt hatte und ihre Gedanken den Soldaten auch durch
Briefe aus der Heimat zugingen und in der Heimat beim Urlaub ent-
gegentraten, fing der feindliche Nachrichtendienst an, auch auf diesem
Arbeitsgebiet auf dem Kriegsschauplatz Erfolg zu haben.
Je länger die einzelnen deutschen Divisionen im Kampf eingesetzt
werden mußten, um so länger waren sie der Wirkung durch die aus
Flugzeugen abgeworfenen Flugblätter ausgesetzt, um so mehr verhalfen
die erhöhten Strapazen diesen zur Wirkung. Lagen die Divisionen in
Ruhe, wurden sie auch nicht verschont und fanden mehr Muße, sich in
die Lektüre der abgeworfenen Schriftstücke zu vertiefen. Im Juli 1918
wurden bei einer Armee 300 000 Stück feindlicher Flugblätter abge-
liefert. Die Zahl der nicht abgelieferten wird gleichfalls nicht gering
gewesen sein.
Während zunächst meist nur Flugblätter, Karrikaturen und Hand-
zettel abgeworfen wurden, in denen zum Uberlaufen aufgefordert und
gegen die Kampffreudigkeit und die Siegeszuversicht Stimmung gemacht
wurde, dehnte sich mit dem Jahre 1917 der Abwurf auch auf po-
litische Bücher und Broschüren aus, die Deutschlands Kriegsschuld
beweisen und die Revolution fördern sollten. Hierunter befanden sich
besonders die Schriften des Fürsten Lichnowski, Mühlon, Grelling,
Balder und anderer. Es ist eine der traurigsten Seiten der feindlichen
Propaganda, daß Deutsche sich in ihr betätigten oder ihr wenigstens das
Werkzeug geliefert haben. Denn es erhöhte die Wirksamkeit der Propa-
ganda, wenn sie sich auf deutsche Quellen oder deutsche Vertreter stützen
konnte.
Die Wirkung der abgeworfenen Flugschriften unter der franzssischen
und belgischen Bevölkerung war von Anfang an stark. Mit leidenschaft-
licher Gier wurden die Blätter geborgen und wie ein Schatz gehütet. Es
kam aber auch vor, daß besonnene Persönlichkeiten in den französischen
Verwaltungsbehörden für Ablieferung der aufreizenden Schriften sorgten,