II
Kriegsvorbereitung
Im Jahre 1904 wurde ich nach dreijährigem Besuch der Kriegs-
akademie zum Großen Generalstab kommandiert. Auf der militärischen
Hochschule hatte ich die russische Sprache gelernt und neben Vorträgen
über die militärischen Wissenschaften solche über die Geographie ent-
fernter Länder, über die Geschichte längst vergangener Jahrhunderte und
über Staats= und Völkerrecht, nichts aber über die Grundlage unseres
Zeitalters oder die Politik der Gegenwart gehört. Nicht einmal die
Zusammenhänge der Bismarckschen Zeitepoche waren uns zum Nach-
wuchs des Generalstabes bestimmten Offizieren nahegebracht, in keiner
Weise unsere Stellungnahme zu innerpolitischen Fragen beeinflußt oder
unsere außenpolitische Einstellung auf eine der politischen oder wirt-
schaftlichen Konkurrenten Deutschlands besonders hingelenkt worden.
Wir waren eben Soldaten und nichts als dies; wir fühlten uns wie
unsere großen militärischen Vorbilder berufen, unsere Schuldigkeit zu
tun in einer Stunde, deren Kommen wir nur ahnten. Unser Blick wurde
mehr in die Vergangenheit, nur militärisch in die Gegenwart, in die
Zukunft überhaupt nicht gerichtet. Die Heere, welche Deutschland um-
lagerten, auch die der im Dreibund verbündeten Monarchien, bildeten
nur nebensächlich Gegenstand des Unterrichts. Frankreich war der Feind.
Die Feindschaft Rußlands war noch ungewohnt. England und Amerika
galten als Seemächte. Vom Wesen eines Zweifrontenkrieges war wohl
zuweilen, von einem Weltkrieg aber niemals die Rede.
Im Generalstab wurde meine erste Aufgabe die topographische Auf-
nahme eines Geländeteils im Weichseltal nahe der Festung Graudenz.
Monatelang in engster Berührung mit Land und Leuten im östlichen
deutschen Grenzgebiet erfuhr ich, wie die Bevölkerung in Unruhe war
durch ihr verdächtige Erscheinungen dauernder russischer Spionage und
durch den zähen Kampf, mit dem die Polen unter Aufwendung großer
Geldmittel durch Kauf und Besiedelung im deutschen Lande vorzudringen