Nach dem Kriege 167
zum geringen Teil aus Kongreßpolen, meist aus früheren deutschen
Gebieten. Sie sind daher gebildet, sprach= und in jeder Beziehung lan-
deskundig. Da sie zudem mit großen Geldmitteln ausgestattet werden,
sind sie sehr gefährlich. Aber das französische Geld zeigt auch hier
bereits eine zersetzende Wirkung. Auch im Nachrichtendienst beginnt
polnische Wirtschaft einzureißen. Skandalaffären wegen Veruntreuung
anvertrauter Mittel durch Offiziere und Beamte des Nachrichtendienstes
sind nicht selten.
Unter diesen Umständen steht die Spionage an der polnischen Grenze
in höchster Blüte. Sie übertrifft die Rußlands vor dem Kriege und
ist besonders gefährlich durch Verwendung auch ehemaliger deutscher
Offiziere und durch die Ausnutzung von Bekanntschaften und Verwandt-
schaften aller Stände zwischen Deutschland und Polen.
In gleicher Vollendung ist der tschechoslowakische Nachrichtendienst
aufgebaut. Die Zusammenarbeit zwischen diplomatischer, militärischer,
wirtschaftlicher und politischer Spionage ist auch hier auf das beste
durchgeführt. Die Leitung liegt bei der Kabinettskanzlei in Prag. Ihr
unterstehen ein Propagandaamt beim Ministerium des Außeren, das
in der Form von Handelsmissionen arbeitet, und eine Kundschafterab-
teilung des Generalstabs. Die Agenten zeichnen sich durch besondere
Intelligenz aus. Sie sind meist Legionsoffiziere und Hochschulstudenten,
die unter dem Vorgeben einer Handelstätigkeit im benachbarten Aus-
land auftreten.
Die Spionageschule in Hollaschowitz steht — wie der ganze Dienst
überhaupt — unter französischer Leitung. Es deuten Anzeichen darauf
hin, daß diese Bevormundung den Tschechen unbequem wird, besonders
auch in Rücksicht auf die ungeheuren Geldmittel, die im Nachrichten-
dienst den französischen Interessen geopfert werden müssen.
Der litauische Nachrichtendienst ist nur beschränkt und arbeitet in
der Hauptsache nicht gegen Deutschland. Ebenso hat sich auch Lettland
mit einer Zentrale in Riga einen Nachrichtendienst geschaffen.
Der Aufbau in Deutschland und in den östlichen Randstaaten ver-
langte zunächst alle Kräfte des französischen Nachrichtendienstes. Die
Arbeit im und vom neutralen Ausland konnte zunächst beschränkt wer-
den und trat infolgedessen zurück. Erst in neuerer Zeit beginnt sie sich
wieder auszudehnen. Besonders verlegt sich das Schwergewicht der
sehr umfangreich aufgezogenen und tatkräftig geleiteten Nachrichten-