180 Rückblick und Ausblick
Ihr Führer, ein Reiteroberst, feierte in besonders ehrenden Worten den
Geist der Truppen, die sie in schweren Kämpfen geseben hatten. Er
sagte, ihr heldenhaftes Verhalten verbürge den endgültigen Erfolg. Es
war der Tag, an dessen Abend Hindenburg—Ludendorff den Entschluß
fassen mußten, den Kampf aufzugeben. — In der Heimat aber organi-
sierten sich halbwüchsige Burschen, um das heimkehrende Herr und seine
Offiziere mit Schmach zu überhäufen und ihnen die Waffen abzunehmen,
die sie vier Jahre lang ruhmvoll geführt hatten. — Am 26. Oktober
1918 war ich mit den militärischen Führern in Berlin. Nach Ankunft
war ich vorübergehend von der damals grassierenden Grippe ergriffen
und einige Tage ans Bett gebunden. Hier suchte mich ein in Deutschland
in hoher amtlicher Stellung befindlicher Neutraler auf. Er sagte, daß
die Entwicklung in Deutschland ihn zwinge, seine Neutralität für Deutsch-
land zu brechen. Er kenme die Berichte der Vertreter seines Landes in
Frankreich und beschwöre die Oberste Heeresleitung, den Kampf nicht
aufzugeben, weil auch die Kräfte des Gegners erschöpft seien und im
Falle der Waffenstreckung Deutschland keine Gnade zu erwarten hätte.
Ich konnte ihm nur antworten, daß ich soeben die Meldung von der Ent-
lassung des General Ludendorff erhalten habe. Der Verständigungs-
glaube hatte über den Verteidigungswillen gesiegt. —
Als dann in Deutschland die Revolution ausbrach und auch im
Etappengebiet aufflammte, war überall die Nachricht zu hören, auch
in den feindlichen Schützengräben wehe die rote Fahne und die englische
Flotte sei unter ihr in Kiel eingelaufen. Bis zu diesem Grade war der
Irrglaube des deutschen Volkes genährt worden. Wie die Dinge sich von
ffeindlicher Seite ansahen, erklärte im Februar 1920 der Heeresrefe-
rent in der französischen Kammer, Oberstleutnant Fabry:
„Bei Kriegsende sahen wir die deutsche Armee in einer Stärke,
wie nur irgendeine Armee, mit einem vortrefflichen Material aus-
gerüstet. Was war nun die Ursache ihrer Niederlage? Sie hatte
binter sich nicht mehr eine in einer einheitlichen Stimmung zusammen-
geschlossene Nation, den entschlossenen Willen, alle notwendigen
Kriegsopfer zu bringen und den Krieg fortzusetzen. Dieser Krieg hat
klar erwiesen, daß auch die stärkste Armee keinen Kriegserfolg mehr
herbeiführen kann, wenn hinter ihr kein Volk steht, das entschlossen
ist und den festen Willen hat, zu fechten.“