Full text: Geheime Mächte - Internationale Spionage und ihre Bekämpfung im Weltkrieg und heute.

22 Kriegsvorbereitung 
zu senden. Die militärischen Vorgänge waren mit einem dichten Schleier 
des Geheimnisses umgeben. Es mußten schon sehr brauchbare und 
urteilsfähige Beobachter sein, die zuverlässige Feststellungen machen 
konnten. Ausländer fielen in Rußland auf. Sie hielten sich dort nur 
in geringer Zahl und fast ausschließlich zu geschäftlichen Zwecken auf, 
ganz anders wie in Deutschland, dem großen Durchgangsland des inter- 
nationalen Reiseverkehrs und des internationalen Besuches in den Kul- 
turzentren und Badeorten. Somit schied für Erkundungen in Rußland 
auch der Ausländer aus, der in Deutschland für den Nachrichtendienst 
der Ententestaaten eine so große Rolle spielte. 
An mein Kommando nach Ostpreußen schloß sich eine zweijährige 
Fronttätigkeit als Kompagniechef in Mitteldeutschland. Im Juli 1912 
wurde ich in den Generalstab versetzt und Anfang 1913 zum Chef des 
Nachrichtendienstes des Großen Generalstabes ernannt. Als solcher hatte 
ich gleichzeitig in Verbindung mit den Polizeibehörden den Kampf gegen 
den feindlichen Nachrichtendienst zu leiten. Die Wahl eines für diesen 
osten reichlich jungen Offiziers bewies den geringen Umfang des 
Systems, das durch ihn zu übernehmen war. Gleichzeitig zeigte sie aber 
den Willen des Generalstabs, mit frischer Kraft Versäumtes nachzu- 
holen, denn General Ludendorff hatte als Chef der Operationsabteilung 
den ausschlaggebenden Einfluß im Generalstab. 
Vor Übernahme der neuen Aufgabe reiste ich für kurze Zeit nach 
Frankreich, um wenigstens einen Eindruck von Land und Leuten zu 
gewinnen, ehe sich mir die Grenzen auch dieses Landes verschlossen, 
gegen das neben Rußland allein ein Nachrichtendienst vom deutschen 
Generalstab eingerichtet worden war. Die von mir besonders gewissenhaft 
beobachteten Bestimmungen der französischen Meldevorschriften für 
deutsche Offiziere zogen mir eine Aufmerksamkeit der Behörden zu, wie 
sie in Deutschland fremdländischen Offizieren nicht annähernd zuteil 
wurde. Meine Eigenschaft als Generalstabsoffizier verstärkte diese Auf- 
merksamkeit. Dabei ließen es die Behörden nicht an ausgesuchter Höflich- 
keit fehlen. Eindrucksvoll war für mich die aufreizende Stimmungsmache 
gegen Deutschland, die ich überall, besonders in den Theatern beobachten 
konnte, die einesteils die Bevölkerung an Elsaß-Lothringen zu erinnern, 
andererseits ihr deutsche Kriegsabsichten vorzutäuschen bestimmt war.
	        
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