Kriegsvorbereitung 37
minister Mercier verständigt, der den Major du Paty de Clam mit der
Untersuchung beauftragte. Schriftproben von Dreyfus wurden unter
der Hand beigebracht und mit dem Bordereau verglichen. Der eigent-
liche Schriftsachverständige Gobert konnte aus der Handschrift nicht
auf die Urheberschaft des Dreyfus schließen, dagegen behauptete der
Chef des Pariser Erkennungsdienstes, Bertillon, mit aller Bestimmtheit,
die Handschrift sei mit der von Dreyfus identisch. Darauf erfolgte
Mitte Oktober 1894 dessen Verhaftung. Die Durchsuchung bei dem
Verhafteten ergab nichts Belastendes, insbesondere wurde kein Papier
gefunden, das dem des Bordereau entsprochen hätte. Letzteres war
ganz besonders dünn und leicht, war in keinem Geschäft zu finden und
diente nur einem Offizier als Briefpapier, dem Major Esterhazy vom
Nachrichtenbureau, was niemand wußte außer Henry, der es verschwieg.
Ob das Bordereau zu provokatorischen Zwecken geschrieben oder ein
ernsthaftes Angebot war, blieb unaufgeklärt.
Die weitere militärische Untersuchung kam zu keinem bestimmten
Ergebnis, und der Kriegsminister trug sich mit dem Gedanken, das
Verfahren einzustellen. Da machte Henry Ende Oktober 1894 die
„Libre parole“ mobil. Es entstand eine Pressekampagne, die den Kriegs-
minister Mercier veranlaßte, aus der militärischen Untersuchung eine
gerichtliche Anklage zu machen. Die Hauptverhandlung Ende Dezember
fand unter Ausschluß der Offentlichkeit statt. Der Chef des Nach-
richtenbureaus, Henry, machte seine Aussage in Abwesenheit des Ange-
klagten und des Verteidigers, die also nicht wußten, was gegen den
Angeklagten vorgebracht wurde. Dreyfus wurde zu lebenslänglicher
Verbannung und Einkerkerung auf der Teufelsinsel und Degradation
verurteilt. Letztere fand am s. Januar 1895 in voller Offentlichkeit
in der gewohnten französischen theatralischen Aufmachung statt.
Am 1. Juli 1895 wurde Picquart Chef des Nachrichtenbureaus.
Diesem fiel der „petit Bleu“ — ein Rohrpostbrief an den deutschen
Militärattaché in die Hand. Er verglich die Handschrift mit dem Bor-
dereau und mit Schriftproben von Esterhazy und wurde stutzig. Henry
bekämpfte den aufkommenden Verdacht. Er hatte in Basel eine Zu-
sammenkunft mit einem Abgesandten des deutschen Generalstabs, der
diese Begegnung gesucht hatte, um zu erklären, daß Dreyfus unschuldig
sei. Der deutsche Abgesandte machte auch so deutliche Angaben über
den Schuldigen, daß die Franzosen ohne weiteres Esterhazy hätten er-