46 Kriegsausbruch
Generalé fast erstickt. In feierlichem Ernst leerte sich der Bibliotheks-
saal. —
Es war das letzte Mal, daß er die Offiziere des Großen Generalstabs
vereint hatte, die in ihm so oft die Lehren des großen Generalfeld-
marschalls von Moltke und des Grafen Schlieffen erhalten hatten. Der
Generalstab kehrte nach dem Kriege nicht in sein Haus zurück. Es ist wie
von symbolischer Bedeutung für den Kriegsverlauf und für die Zukunft,
daß es das Heim des Reichsministeriums des Innern geworden ist.
Der Generalstab ging daran, die letzte Hand an die für die Mobil-
machung vorbereiteten Anordnungen zu legen. Der Politik stand er
fern. Er hatte wohl die politischen Vorgänge im Ausland verfolgt, aber
die auswärtige Politik Deutschlands war bei ihm nicht bearbeitet worden.
Auf sie hatte er nur insofern einen Einfluß gehabt, als der Chef des
Generalstabs in ständiger Berührung mit den maßgebenden Stellen des
auswärtigen Dienstes stand und zu entscheidenden Fragen der äußeren
Politik gemeinsam mit dem Kriegsminister über die militärische Lage
gehörr worden war. Neben dem Kriegsministerium war der Generalstab
dafür verantwortlich gewesen, daß die militärische Rüstung der politischen
Lage Deutschlands entsprach. Die eigene Ansicht des Generalstabs war, daß
der wirtschaftliche und politische Wettbewerb der Völker in absehbarer
Zeit zu einer Entscheidung durch die Waffen drängen werde. Seine
letzte Militärvorlage vom Jahre 1912 war vom Reichstag nur teilweise
bewilligt worden. Ihretwegen verlor der Generalstab den Chef der
Operationsabteilung, den Oberst Ludendorff. Er fand als Regiments-
kommandeur in der Front Verwendung. Die für den Kriegsfall wich-
tigste Stellung war nicht mehr mit dem Besten des Generalstabs
besetzt. —
Im Frühjahr jeden Jahres wurden die Mobilmachungsvorberei-
tungen des abgelaufenen Jahres verbrannt, um neuen für das kommende
Jahr, der fortschreitenden militärischen und politischen Entwickelung
angepaßten, Platz zu machen. So bereitete der Generalstab alljährlich
in stiller pflichttreuer Arbeit die Stunde vor, in der ihm die militärische
Führung des deutschen Volkes zufallen würde. Er arbeitete aber nie-
mals auf den Krieg hin, am allerwenigsten unter seinem letzten Chef
im Frieden, dem General von Moltke, der in treuer Mlichterfüllung
das verehrte Vorbild aller Generalstabsoffiziere war. So war es auch
jetzt in den letzten 24 Stunden des Friedens. — — —