Full text: Geheime Mächte - Internationale Spionage und ihre Bekämpfung im Weltkrieg und heute.

54 Kriegsausbruch 
sich die Feindstaaten gleichzeitig hermetisch gegen Deutschland ab. Der 
eiserne Ring um die Mittelmächte, der sich durch die erstarrende Front 
zu bilden begann, wurde im Norden durch das unter englischer Herr- 
schaft stehende Weltmeer geschlossen. Nur an der französisch-schweize- 
rischen Grenze blieb eine einzige schmale Ausfallpforte für den deutschen 
Nachrichtendienst. 
In Deutschland ging mit Kriegsausbruch die vollziehende Gewalt 
in der Heimat auf die militärischen Befehlshaber, die stellvertretenden 
Generalkommandos und die Festungsgouverneure, über. Zu ihren Pflich- 
ten gehörte auch die Verhinderung der feindlichen Spionage. Ihre in 
dieser Richtung ergriffenen Anordnungen hätten, um wirksam zu sein 
und dem feindlichen Nachrichtendienst tatsächlich die Wege zu versperren, 
der zentralen Anleitung bedurft. Aber diese fehlte. Der Generalstab, der 
im Frieden die Tätigkeit der Spionageabwehrpolizei leitend beeinflußt 
hatte, fand sein Arbeitsgebiet außerhalb der Heimat auf den Kriegsschau- 
plätzen. Dort wurden auch die wenigen in der Spionageabwehr geschulten 
olizeibeamten als Feldpolizeibeamte bei den Armeen verwendet. Die 
Heimat war von jedem sachverständigen Schutz gegen die Spionage 
entblößt. An seine Stelle traten gutgemeinte, aber ohne jede Kenntnis 
ergangene Maßnahmen örtlicher Behörden. Sie bestanden vorzugsweise 
in öffentlichen Warnungen. Die Bevölkerung hörte zum ersten Male 
aus amtlichem Munde von diesen Dingen. Die Folge war eine wilde 
Spionenfurcht in ganz Deutschland, die zu lächerlichen, aber auch zu 
sehr ernsten Erscheinungen führte. Die unsinnigsten Gerüchte verbreiten 
sich wie ein Lauffeuer in Jeiten hochgespannter nationaler Erregung. 
Besondero die Nachricht, daß Autos mit Gold zu Zwecken des feind- 
lichen Nachrichtendienstes Deutschland durchfuhren, wirkte verheerend. 
Jedes Auto wurde angehalten, die Insassen unter Feuer genommen. 
Hohe Beamte im Dienst büßten dabei ihr Leben ein. Innerhalb weniger 
Tage trat ein Justand ein, der die Durchführung der Mobilmachung in 
Frage stellte. Der Generalstab mußte eingreifen, um diesem zum Unfug 
ausartenden Kampf gegen die Spionage ein Ende zu bereiten. Dabei 
traten zahlreiche Mißgriffe ein und mußten rückgängig gemacht werden. 
Viele hochangesehene Persönlichkeiten gerieten durch irgendwelche Um- 
stände unverschuldet in Verdacht und beschwerten sich über ihnen zuge- 
fügtes Unrecht. Ein allgemeiner Rückschlag war die Folge. Die Be- 
hörden, soweit sie bisher anregend gewirkt hatten, stellten ratlos ihre
	        
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