Vorwort
In der im Frühjahr 1920 veröffentlichten Darstellung meines Arbeits-
gebietes im Weltkrieg 1) habe ich dem Nachrichtendienst nur verhältnis-
mäßig wenig Raum gegeben, obgleich die Leitung des militärischen Nach-
richtendienstes und die der Bekämpfung der Auskundschaftung Deutsch-
lands seit 1912 meine alleinige, im Kriege meine ursprüngliche und
vorwiegende Aufgabe im Generalstab war. Der „Pressedienst“, mit dem
in Deutschland der „Nachrichtendienst“ vielfach verwechselt wurde und
wird, fiel dem Generalstab erst im Kriege zu, weil er von keiner Stelle
vorbereitet war, von der Reichsregierung nicht aufgegriffen wurde, ohne
ihn aber auch die militärische Kriegführung nicht möglich war.
Wenn somit allein der Generalstab in der Lage war, im Pressedienst
Erfahrungen zu sammeln und ein Urteil über ihn im Weltkrieg abzu-
geben, so trifft dies in noch höherem Maße für den Nachrichtendienst
zu. Denn Deutschland verfügte nicht wie seine Gegner über einen von
der Regierung einheitlich geleiteten politischen, wirtschaftlichen und mili-
tärischen Nachrichtendienst. Es verzichtete damit auf die Auswertung der
politischen Zustände beim Feind und auf die Einwirkung auf Neutrale
durch Propaganda; es hatte fast ausschließlich nur einen militärisch ge-
leiteten und militärisch ausgewerteten Nachrichtendienst. Mehrfach bin
ich daher gebeten worden, meine Erlebnisse gerade als Chef des Nach-
richtendienstes der deutschen Obersten Heeresleitung zu schildern. Aber
ich glaubte bisher, und besonders zur geit der Niederschrift meiner
eingangs erwähnten Veröffentlichung, daß hierüber Zurückhaltung ge-
boten sei.
Die Ereignisse seitdem haben mich eines Besseren belehrt.
Uberall, voran in meinem Vaterlande, sehe ich den durch den Welt-
krieg entfesselten modernen Nachrichtendienst an der Arbeit.
1) W. Nicolai, „Nachrichtendienst, Presse und Volksstimmung im Weltkrieg“.
C. S. Mittler & Sohn, Berlin.