80 Auf den Kriegsschauplätzen
den Russen nicht. Da Gefangene zudem nur unregelmäßig und nicht
in größerer Zahl zur Verfügung standen, so floß auch diese Quelle für
den russischen Nachrichtendienst nicht besonders reichlich.
Er griff zu dem Mittel, Spione in den vor den Deutschen geräumten
Gebieten unauffällig zurückzulassen oder sie als Uberläufer in die deut-
schen Reihen zu schicken. Auch hierbei wurde wie im Frieden ein schäd-
licher Massenbetrieb gepflegt. Infolgedessen mangelte es dieser Art
von Spionen an der notwendigen Vorbildung. Auch hatte ihre Auswahl
nicht mit der nötigen Sorgfalt geschehen können, so daß viele froh waren,
dem Kriege entronnen zu sein und gar keine Neigung zeigten, in die
Reihen des russischen Heeres zurückzukehren, dessen mit allem Nachdruck
aufrechterhaltene Siegeszuversicht sie unter den Eindrücken hinter der
deutschen Front nicht teilten. Und schließlich war der Massenbetrieb
so auffallend, daß es ohne besondere Schwierigkeiten gelang, ihn so
gut wie vollständig festzustellen und lahmzulegen.
Da die Front in Rußland noch, als die im Westen schon längst un-
durchdringlich geschlossen war, Lücken aufwies und weite Strecken von
Wald und Sumpfgebiet ein Durchkommen landeskundiger Personen er-
möglichten, so setzte, nachdem die Front einigermaßen zum Stillstand
gekommen war, auch eine Arbeit mit zu Spionen ausgebildeten Zivil-
personen ein. Es geschah dies aber in so ungeschickter Form, daß auch
dieses sofort erkannt wurde. Diese Spione haben, indem sie zur Nach-
richtenquelle für den deutschen Nachrichtendienst wurden, den Russen
mehr geschadet als genützt.
Der Krieg im Osten wurde kaum auf russischem Boden, sondern auf
polnischen oder russifizierten Gebieten geführt. Die leidenschaftliche
Unterstützung durch die Bevölkerung, die wir auf dem westlichen Kriegs-
schauplatz kennen lernen werden, fand die russische Kriegführung daher
nicht. Und auch von einem Haß der Bevölkerung im Osten gegen die
Deutschen konnte im großen und ganzen — mit Ausnahme von Lettland
— nicht gesprochen werden. Die als Spione verwendeten Landesein-
wohner waren meist Polen, Juden oder Balten, die also für Deutsch-
land ebensoviel Sympathien empfanden wie für Rußland. Hiermit
soll aber nicht gesagt sein, daß sie den Deutschen etwa von vornherein
Sympathie entgegenbrachten, sie verhielten sich einschließlich der Balten
neutral und waren nur auf den eigenen Vorteil bedacht, der sie dorthin
zog, wo ihre eigenen Lebensinteressen die meisten Aussichten hatten. So-