Full text: Geheime Mächte - Internationale Spionage und ihre Bekämpfung im Weltkrieg und heute.

90 Auf den Kriegsschauplätzen 
bar und gefürchtet, aber mehr auf partei= als außenpolitische Ziele ein- 
gestellt. Ein Nachrichtendienst nach deutschem Begriff bestand nicht. 
Durch den Eintritt Bulgariens in den Krieg an Deutschlands Seite 
hatte die Politik König Ferdinands und des Ministerpräsidenten Ra- 
doslawow gesiegt, aber die Stimmung war damit nicht einheitlich für 
Deutschland. Zwar stand der überwiegende Teil des Volkes, dessen 
nationale Ziele Mazedonien und die Dobrudscha waren, und die offi- 
ziellen Stellen in Heer und Regierung aus Uberzeugung von Deutsch- 
lands Sieg auf dessen Seite, aber die geldkräftigen Kreise, die Banken 
und die wohlhabenden Familien, waren mit ihren Interessen an die 
Entente, besonders Frankreich, gebunden und nicht mit der Politik 
Radoslawows einverstanden. In diesen Kreisen verfügte die Entente 
über einen Nachrichtendienst, wie sie ihn sich besser nicht wünschen oder 
schaffen konnte. Deshalb war auch von einer politischen oder wirtschaft- 
lichen Erkundung durch Landfremde wenig zu spüren. Dagegen ent- 
wickelte sich ein starker Reiseverkehr aus den ententefreundlichen bulga- 
rischen Kreisen nach der Schweiz. Hier lag die Zentrale des Nachrichten- 
dienstes Frankreichs für den Balkan. Diesen Weg vermochte nur Oster- 
reich zu versperren, konnte es aber aus politischer Rücksicht auf den 
Verbündeten nicht mit der notwendigen Tatkraft durchführen. Im 
Gegenteil bestanden verdächtige Anzeichen, daß die Tschechen die Ver- 
bindung zwischen Frankreich und Bulgarien begünstigten, hochgestellte 
Vertreter Österreichs tschechischer Nationalität in Bulgarien standen 
sogar im Verdacht, sie aktio zu unterstützen. Die amtlichen bulgarischen 
Stellen hatten den guten Willen, die Interessen der Kriegführung zu 
schützen, sie setzten sich aber gegen die entgegenstehenden mächtigen 
finanziellen und politischen Gruppen nur unvollkommen durch. 
Neben diesen gesicherten großen Beziehungen war die Kleinspionage 
der Entente im Innern Bulgariens stark ausgebildet. Sie spielte aber 
neben jenen eine nur untergeordnete Rolle. Denn was die Entente im 
ganzen über die militärischen Vorgänge wissen mußte, erfuhr sie durch 
ihre Beziehungen auf dem Wege über die Schweiz. Unmittelbar an der 
Front blühte eine taktische Spionage, begünstigt durch die Natur des 
Kriegsschauplatzes und das Völkergemisch auf beiden Seiten. Deutsche 
Nachrichtenoffiziere in Verbindung mit den bulgarischen übertrugen hier 
erfolgreich die deutschen Grundsätze und Erfahrungen der Hauptkriegs- 
schauplätze auf den Nachrichtendienst und die Abwehr.
	        
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