Die Oberste Heeresleitung. 219
seren heldenmütigen Truppen, die bisher der Übermacht an der Westfront
standhielten, größere Ruhe und öfter Abwechslung zu gönnen.“ Am 6. De-
zember schon war darauf hingewiesen, „daß eine Front zwar vielleicht aus-
scheidet, daß an den übrigen Fronten aber unvermindert und sogar ver-
stärkt unsere Kräfte eingesetzt werden müssen“.
Auf denselben Ton waren auch weiterhin alle grundlegenden Mit-
teilungen der O. H. L. an die Presse gestimmt. Daß auch die Dienstanwei-
sung für die Kriegsberichterstattung jede Schönfärberei zurückwies und daß
die O. H. L. über die Stärke des Gegners nicht im Irrtum war, habe ich
schon nachgewiesen. Presse und Behörden sind bis zuletzt nicht darüber im
Zweifel gelassen worden, daß der Vernichtungswille des Feindes noch nicht
gebrochen war und daß wir ihm nur gewachsen bleiben konnten, wenn
wir auch den letzten Rest der Volkskraft entfalteten.
Wir waren bis zum Juli 1918 die unbestrittenen Sieger auf dem mili-
tärischen Kampffeld. Auch im Juli 1918 zeigten die Truppen sich den
militärischen Aufgaben noch gewachsen. Erst der August brachte Beweise
versagender Kampfkraft. Gerade diejenigen Volksteile, die daran die
Schuld tragen, daß der Ersatz ausblieb oder in seiner Stimmung vergiftet
war, erheben am lautesten den Vorwurf von einer Irreführung der öffent-
lichen Meinung. Es wird ihnen nicht gelingen, die Schuld von sich ab-
zuwälzen.
Die im September 1918 abgehaltenen Bezirks-Pressebesprechungen,
bei denen Vertretern der Behörden zum letzten Male Gelegenheit gegeben
wurde, vor einem größeren Kreis von Schriftleitern deutscher Zeitungen
und damit zur OÖffentlichkeit zu sprechen, waren schon eingeleitet, ehe die
Zersetzungserscheinungen im Heere sich zeigten. Sie wurden dennoch durch-
geführt. Die Vertreter der für die Wirtschafts= und Ernährungslage zu-
ständigen Behörden erklärten, daß die Verhältnisse in ihren Arbeitsgebieten
in keiner Weise zur Aufgabe des Kampfes zwängen. Der Vertreter des
Admiralstabes wies an der Hand einwandfreier Zahlen nach, wie der
U--Bootkrieg am englischen Schiffsraum nagte, Amerikas Übergewicht im
Welthandel steigerte und damit auf dem besten Wege war, den Kampf-
willen unseres Hauptfeindes, Englands, zu brechen. Als Vertreter der
Obersten Heeresleitung konnte ich auf die bisher vom Heer vollbrachten
Leistungen, auf den unerschütterlichen Kampfwillen unserer militärischen
Führer sowie darauf hinweisen, daß das Vertrauen des Volkes zum Gene-
ralfeldmarschall von diesem erwidert werde, und daß wir im Kampfe aus-
halten könnten, wenn sein Vertrauen in den Kampfwillen des deutschen
Volkes nicht enttäuscht werde.
Neben dieser grundsätzlichen, tiefernsten Auffassung unserer Lage, die
die Oberste Heeresleitung von jeher und bis zum Ende vertrat, ging die