Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

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zu Herzen gingen, beweist der Umstand, daß sich gerade die Bauern 
in der Wittenberger Gegend von den oben geschilderten Unruhen und 
Greuelthaten gänzlich fern hielten. Mit welch heiligem Eifer hat sich 
dieser Gottesmann ferner gegen die Schwarmgeister, wie er die ver— 
blendeten Rädelsführer nannte, erklärt und es tief bedauert, daß sie 
das arme, unwissende Volk irre leiteten. Nur Unwissenheit und Bosheit 
konnte im Stande sein, die beklagenswerthen Verirrungen Luther 
und seinem Werke zur Last zu legen. Von Wittenberg aus sind 
die Unterthanen nie aufgefordert worden, ihren Fürsten und ihren 
Obrigkeiten den Gehorsam aufzukündigen. 
34. Johann der Bestündige und die Fortsetzung dex Reformation. 
a) Tohanns Familienleben. Weitere Einführung der Reformation. Reichstag 
zu Speyer (1529), m Augsburg (1530). Der Schmalkaldische Bund (1531). 
Der Nürnberger BReligionsfriede (1532). 
Friedrich des Weisen Nachfolger in der Kurwürde war sein 
Bruder Johann, welcher sich den ehrenwerthen Beinamen „der 
Beständige"“ erwarb, und daß er denselben mit Recht verdiente, 
davon werden wir uns bald überzeugen. Daß Kurfürst Johann 
mit seinem verstorbenen Bruder in herzlichster Einigkeit gelebt hatte, 
ist uns schon früher klar geworden. 
Wie Johann ein musterhafter Bruder war, so war er auch 
ein ausgezeichneter Vater. Von welch unendlichem Werthe eine 
gute Erziehung für das ganze Leben ist, hatte Johann an sich selbst 
erfahren. Ihm war es daher eine heilige Herzensangelegenheit, auch 
auf seine Kinder den Segen einer guten Erziehung übergehen zu lassen. 
Frühzeitig mußten daher seine beiden Söhne nicht blos tüchtig lernen, 
sondern sie wurden auch zum Gehorsam, zur Gottesfurcht, wie über- 
haupt zu allem Guten angehalten. Den Hofleuten wollte es gar nicht 
in den Sinn, daß die kurfürstlichen Söhne fleißig studiren mußten, 
und weniger im Kämpfen und Schießen, im Reiten und in anderen 
ritterlichen Uebungen unterwiesen wurden. Einmal faßten sie sich 
ein Herz und sprachen ihre Verwunderung hierüber unverhohlen gegen 
ihren Herrn aus. Da erhielten sie eine Antwort, die den Kurfürsten 
heute noch ehrt. „Die Dinge, von denen ihr sprecht“, sagte er, „lernen 
meine Söhne von sich selbst. Wie man zwei Beine über ein Pferd 
hängen, des Feindes oder der wilden Thiere sich erwehren, oder einen 
Hasen fangen soll, das können meine Reiterjungen und Jägerbuben 
auch, und das von sich selbst. Aber wie man gottselig leben, weislich 
regieren und Leuten löblich vorstehen soll, dazu gebrauchen wir gelehrte 
Leute und gute Bücher nebst Gottes Geist und Gnade.“ Das war 
eine fürstliche Antwort, welche die Hofleute zum Schweigen brachte. 
Geschichte Sachsens. 7
	        
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