Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

— 121 — 
in die augenscheinlichste Lebensgefahr gerieth und nur dadurch dem 
Tode entging, daß das Pistol, welches ihm ein kurfürstlicher Soldat 
auf die Brust setzte, beim Abdrücken versagte. Das kurfürstliche Heer 
fing an zu weichen und suchte wie eine Herde, in die der Wolf ein- 
bricht, sein Heil in der Flucht. Noch hielt der Kurfürst kämpfend 
an der Spitze einer Abtheilung seiner Reiterei Stand, aber endlich 
mußte auch er an seine Sicherheit denken. Er wandte sich ebenfalls 
zur Flucht, aber leider zu spät. Seine außerordentliche Beleibtheit 
erschwerte ihm das schnelle Reiten und dies machte ihn den Feinden 
sehr leicht kenntlich. Man sagt außerdem noch, daß er auf der Flucht 
einen Stiefel verloren, dessen großer Umfang den Feinden die Richtung 
des Fliehenden verrathen habe. Spanische und italienische Reiter 
holten ihn endlich ein und wollten ihn gefangen nehmen. Da raffte 
der ermattete Kurfürst noch einmal seine letzten Kräfte zusammen und 
vertheidigte sich mit wahrem Heldenmuthe. In diesem ungleichen 
Kampfe zuckte ein feindlicher Säbelhieb nach seinem Kopfe und ver- 
wundete den Angegriffenen in den linken Backen. Jetzt sprengte ein 
deutscher Edelmann heran, fing mehrere Hiebe auf, die nach dem 
Kurfürsten gerichtet wurden und ermahnte ihn, sich zu ergeben. 
„Ja“, antwortete der bluttriefende Kurfürst, „einem Deutschen 
ergebe ich mich. So führt mich denn hin!“ Sogleich zog er zwei Ringe 
vom Finger und übergab sie dem Ritter als Zeichen seiner Gefangen- 
schaft. Dieser nahm dem Kurfürsten sein mit Silber beschlagenes 
Schwert, seinen Dolch und seine Handschuhe ab und führte ihn nach 
der Gegend hin, wo man den Kaiser vermuthete. Bereits deckte die 
Nacht die Erde mit dem Schleier der Finsterniß. Der Weg führte 
durch einen Wald und ehe man den Kaiser fand, übergab der Edel- 
mann seinen Gefangenen dem spanischen Herzog Alba. Dieser grau- 
same Mann, dessen Herzen Mitleid so fremd war, wie dem Tiger 
Erbarmen, betrachtete den unglücklichen Kurfürsten mit wahrhaft 
teuflischer Freude. Endlich fand man den Kaiser inmitten seines 
Gefolges in der Heide. Halblaut stammelte der Kurfürst: „Herr Gott, 
erbarme Dich mein; nun sind wir dal“ 
Welch einen Anblick gewährte der unglückliche Gefangene! Wer 
nicht ein Herz von Stein besaß, mußte inniges Mitleid empfinden. 
Ermattet vom heißen Kampfe, gequält vom brennenden Durste, ent- 
stellt von der klaffenden Wunde, bedeckt von Blut im Gesicht und auf 
dem Panzer, bot er ein herzzerreißendes Bild des Mitleides und 
Jammers dar. Aller Augen waren auf ihn, und nur auf ihn gerichtet. 
Jetzt nahte sich ihm der Herzog Alba und half ihm vom Pferde. 
Sogleich wollte sich der Kurfürst auf die Knie niederlassen, aber der 
Kaiser ließ dies nicht zu. Da trat der Unglückliche dem Kaiser näher 
und reichte ihm nach deutscher Sitte seine Rechte dar, allein der Kaiser 
g9og die seinige zurück und wandte sich ab. Nun redete er den Kaiser
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.