— 152 —
In den Niederlanden hatte man das Nähen der Spitzen schon
längst durch das Klöppeln verdrängt und namentlich wurden die
Brabanter Spitzen in ganz Europa geschätzt. Ueber die dem evan-
gelischen Glauben zugethanen Einwohner der Niederlande erhob sich,
wie über die ersten Christen, eine nicht geringe Verfolgung. Ihrer
harrte sogar der Kerker und der Galgen, und Tausende und aber
Tausende mußten dem lieben Vaterland den Rücken wenden, um eine
zweite Heimat in fremden Landen aufzusuchen. Gegen 20 000 solcher
Unglücklichen richteten ihren Wanderstab nach Sachsen, wo sie Vater
August mit offenen Armen aufnahm. Eine der eingewanderten
Niederländerinnen soll, einer Sage zufolge, nach Annaberg gekommen
und in der Familie der Barbara Uttmann mit Freuden aufgenommen
worden sein. Zu ihren wenigen Habseligkeiten habe auch ein Klöppel-
sack gehört und aus Dankbarkeit habe die Vertriebene ihrer menschen-
freundlichen Wohlthäterin das Spitzenklöppeln gelehrt.
Dem sei nun, wie es wolle, so viel steht fest: Barbara Uttmann
verbreitete die in Sachsen noch unbekannte Erfindung unter ihren Lands-
leuten und in kurzer Zeit fand diese neue Beschäftigung in Städten
und Dörfern des oberen Erzgebirges und des Voigtlandes Eingang.
Für die Gebirgsbewohner war dieser neue Erwerbszweig eine große
Wohlthat, da Garten und Feld in jenen rauhen Gegenden nicht so
viel hervorzubringen vermögen, als zur Leibes Nahrung und Noth-
durft ihrer Bewohner gehört. Nach wenig Jahren zählten Grünhain,
Geier und Jöhstadt 4 bis 600 Köpplerinnen. In Annaberg klöppelte
sogar der dritte Theil der Einwohner. Als im Jahre 1568 eine
Pest ausbrach und in dieser Stadt allein 2200 Menschen wegraffte,
zählte man unter den Todten 800 Klöpplerinnen. Später verdienten
im Erzgebirge und Voigtlande 60 bis 70 000 Menschen ihr Brot
durch Klöppeln und aus den Händen fleißiger Klöpplerinnen gingen
jährlich Hunderte, ja Tausende Stück Spitzen hervor, fanden im
Auslande guten Absatz und führten ansehnliche Summen Geldes in
unsere Gebirgsgegenden. « ·
-.«--«.,u9kungunojchnelleVerbrettungdresesneuenErwerbs-
zweiges erfüllte Vater August mit innigster Freude, und Barbara
Uttmann, welche sich um ihre Landsleute so hohe Verdienste erworben
hatte, wurde nicht blos von dem Kurfürsten hoch geehrt, fondern auch
von der Gebirgsbewohnerinnen innig geliebt und als ihre Wohlthäterin
gepriesen. Von ihren übrigen Lebensverhältnissen wissen wir so viel,
daß sie 1514 in Elterlein geboren wurde. Ihr Vater hieß Heinrich
v. Elterlein, dessen Vorfahren von Nürnberg ins Erzgebirge ein-
gewandert waren. Der Mann der Barbara v. Elterlein hieß
Uttmann und war als reicher Bergherr in Annaberg ansässig.
Seine Frau starb im Jahre 1575 und liegt auf dem Gottes-
acker in Annaberg begraben. Der Nachwelt bezeichnet ein Grabstein