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Erzgebirges betroffen hatte. Schon dröhnte Kanonendonner vor den
Mauern der Stadt. Jeden Augenblick drohte den geängstigten Be—
wohnern Tod und Verderben. Da dämmerte ein milder Hoffnungs-
strahl in den Herzen der Annaberger. Eine ihrer Mitbewohnerinnen,
die Gräfin Sidonie von Hassenstein, erbot sich, in des Feindes
Lager zu gehen und um Gnade für die Stadt zu flehen. Und siehe,
Holk, dessen Herz härter war, als das Gestein des Erzgebirges, dessen
Wohlstand sein eherner Fuß zertrat, nahm die Gräfin freundlich auf
und gelobte der Stadt Schonung; noch mehr, ihre Bitte bewirkte
auch ein milderes Loos für Chemnitz und Freiberg, welchen Städten
gleiches Schicksal, wie den verheerten Ortschaften, zugedacht war.
Was stimmte aber den Feldherrn zu solcher Milde? Es war
ein Zug von Dankbarkeit, den Raubgier und Mordlust nicht ganz
zu verwischen im Stande gewesen. Gräfin Hassenstein, früher
in Böhmen wohnhaft, hatte hier den General Holk, der in einem
mörderischen Kampfe eine schwere Wunde erhalten, in ihr Haus
aufgenommen und ihn gepflegt, wie einst der Samariter den Juden,
der unter die Mörder gefallen war. Dessen erinnerte sich Holk, er fühlte
ein „menschlich Rühren“ und schonte die Stadt um seiner Wohlthäterin
willen. Da herrschte Freude und Jubel bei den Annabergern! Thränen
des Dankes flossen ihrer Erretterin und Preis und Anbetung brachte
man Dem, der das Herz des Feindes gewandt und Hilfe gesendet hatte
in großen Nöthen. Solches aber trug sich zu am 24. August 1632.
Holk und Gallas verließen das verheerte Erzgebirge und
Voigtland und vereinigten ihre Truppen bei Altenburg mit
Wallensteins Hauptheere. Jetzt hatte es Wallenstein auf das
wohlhabende Leipzig abgesehen. Mit seiner Heeresmacht erschien er
im Oktober vor dieser Stadt und nach kurzem Widerstande mußte es
dem Sieger die Thore öffnen. Unser Kurfürst gerieth in die äußerste
Noth. Die sächsischen Truppen befanden sich in Schlesien, welches
Land zu verlassen nicht rathsam war, und so flogen Eilboten über
Eilboten zu Gustav Adolph, um ihn zum zweiten Male zu Sachsens
Rettung herbeizurufen.
Gustav Adolph eilte dem Kurfürsten zu Hilfe, vereinigte sich
unterwegs mit dem Herzog Bernhard von Weimar und stand am
1. November schon bei Naumburg. Da der König hier die Sachsen
erwarten wollte, beabsichtigte er jetzt noch keinen Angriff. Auch
Wallenstein war der Meinung, daß das Schlachtgetümmel bis zum
Frühjahre schweigen würde und schickte seinen General Pappenheim
mit einer Truppenabtheilung nach dem Rheine ab. Kaum hatte dies
Gustav Adolph erfahren, so beschloß er, Wallenstein ohne
Verzug anzugreifen. Dieser, von dem Anrücken der Schweden unter-
richtet, stellte sein Heer an der Straße, welche von Lützen nach
Leipzig führt, in Schlachtordnung auf. Am 5. November gelangte
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