Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

— 235 — 
diese hatte in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wiederum in 
einer schreckenerregenden Weise überhand genommen. 
Natürlich konnte auch der Aberglaube seine volle Herrschaft 
ausüben, denn dieser ist gern da zu Hause, wo neben ihm die Un— 
wissenheit wohnt. Es ist unglaublich, was die Leute damals zu sehen 
und zu hören meinten. Da wollten manche gehört haben, daß die 
an der Pest Verstorbenen im Grabe mit den Zähnen knirschten, was 
natürlich als eine neue Unglücksprophezeiung gehalten wurde, weshalb 
sich der Aberglaube in seiner Rohheit so weit hinreißen ließ, daß man 
den Pestleichen den Kopf mit einem Grabscheite abstieß. Nordlichter 
galten damals nicht als eine großartige, bewunderungswürdige Natur- 
erscheinung, sondern man sah in ihnen feurige Wagen, ferner ganze 
Heere, welche mit Spießen und Schwertern zum Kampfe heranzogen 
und welche Krieg und Blutvergießen auf Erden ankündigten. 
Für einen außerordentlichen Unglücksboten galt damals allgemein 
der „Dresdner Mönch“. Von diesem angeblichen Gespenst wollte 
man Folgendes wissen: War irgendwo ein Unglücksfall, eine schwere 
Krankheit, ein Todesfall u. dergl. in der kurfürstlichen Familie im 
Anzuge, so hielt vorher ein Mönch im Schlosse seinen Umgang. Vier 
Jahre lang erfüllte dieser Mönch selbst die Schildwachen mit Todes- 
angst. In den Jahren 1694 bis 1698 wollten die Wachen diesen 
Mönch bald im Schlosse, bald an den Stadtthoren gesehen haben. 
Eine einzige, gründliche Untersuchung, ein einziger, muthiger Angriff 
würde Klarheit in diese Spukgeschichte gebracht haben, aber die 
Schildwachen verloren in ihrer Herzensangst alle Besonnenheit und 
Ueberlegung. 
Wehe denjenigen, namentlich den alten Frauen, welche das Unglück 
hatten, für Hexen gehalten zu werden. Gefängniß, Folter, selbst der 
Tod harrte dann ihrer. So wurde z. B. ein seines Amtes entlassener 
Geistlicher, welcher zuweilen an Geisteskrankheit litt, angeklagt, mit 
dem Teufel ein Bündniß geschlossen zu haben. Anstatt ihn in eine 
Heilanstalt zu bringen, schleppte man ihn ins Gefängniß, spannte ihn 
auf die Folter und dann gestand er unter den entsetzlichsten Qualen 
allerdings, was man gern hören wollte, worauf er zum Tode ver- 
urtheilt und (1665) auf dem Marktplatze zu Camenz enthauptet wurde. 
Jetzt würde man bei dergleichen kranken Personen wenigstens 
einen Versuch mit ihrer Heilung machen; aber im 17. Jahrhunderte 
war man in der Heilkunst noch weit zurück. So wurde z. B. (im 
Jahre 1673) den Apothekern in Freiberg vorgeschrieben, daß in ihren 
Apotheken immer Folgendes vorräthig sein müsse: Gedörrte Kröten, 
gebrannte Igel, Erdkrokodile, Hirschkrähen, Riemen von Menschen- 
haut, zubereitete Menschenbeine, Pferdewarzen, Schlangenhäute, 
Schlangenfett 2c. —
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.