Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

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klügeren Leuten erschien aber das Ganze doch als ein Blendwerk und 
man wollte den angeblichen Kurprinzen, als er sich in Buchholz ein— 
fand, verhaften. Eiligst verließ die Apitzsch diesen gefährlichen Ort 
und floh nach Oederan, wo sie (bei dem Accisinspektor Vogel) Auf— 
nahme und Schutz fand. 
Daß sich der einfache, ehrliche Erzgebirger von dem Thun und 
Treiben einer verschmitzten Gaunerin täuschen ließ, läßt sich allenfalls 
erklären, daß aber auch höher gestellte Personen so kurzsichtig sein und 
sich blenden lassen konnten, würde man für unglaublich halten, wenn 
nicht Beweise vom Gegentheile vorlägen. Zu den Kurzsichtigsten unter 
den Kurzsichtigen gehörte der damalige Oberfischmeister von Günther 
in Augustusburg. In tiefster Ehrfurcht stellte er dem vermeintlichen 
künftigen Kurfürsten sein Haus und Hof und alles, was er hatte, zur 
Verfügung, und überhäufte ihn mit den höchsten Ehren. Damit der 
hohe fürstliche Herr auch in schönem Wagen und mit stolzen Rossen 
einherfahren könne, schenkte er ihm sogar eine prächtige Kutsche und 
6 Pferde; überdies fügte er dem Geschenke noch eine Börse mit 
300 Dukaten bei. Mit Freuden brachte er jedes Opfer, da er nicht 
zeiselt, daß ihm einst alles hundertfältig wieder vergolten werden 
würde. 
Daß dieses lächerliche Spiel nicht von langer Dauer sein konnte, 
liegt auf der Hand. So kam es auch. In Dresden erhielt man von 
dem betrügerischen Thun und Treiben der Apitzsch Kunde und uner- 
wartet erschien in Augustusburg ein Kommando Soldaten, welches 
die Gaunerin mit sammt dem überraschten Oberfischmeister nach 
der Residenz abführte. So sah sich die überspannte, höchst leicht- 
sinnige Betrügerin plötzlich entlarvt und der Herr Oberfischmeister 
tief beschämt. 
Was sollte mit dieser Gaunerin geschehen? Der Schöppenstuhl 
zu Leipzig verurtheilte sie zu Staupenschlag und zur Landesverweisung, 
welches Straferkenntniß der Kurfürst aber in lebenslängliche Zucht- 
hausstrafe, die später sehr gemildert wurde, umwandelte. Spottweise 
nannte man die Apitzsch gewöhnlich „Prinz Lieschen“. Die Behaup- 
tung, bei welcher „Prinz Lieschen“ bis an ihr Lebensende stehen 
blieb, daß sie sich selbst nie für den Kurprinzen ausgegeben habe, 
konnte ihre Thorheit nicht entschuldigen. 
Außer der Zuchthausstrafe gab es damals, namentlich für 
geringere Vergehen, oft sehr eigenthümliche Strafen. In manchen 
Städten, z. B. in Dresden, Leisnig 2c., stellte man an freien Plätzen, 
namentlich auf dem Markte, einen sehr hohen, aus Holz gefertigten 
Esel auf, auf welchem ein Verurtheilter einige Stunden reiten mußte. 
Dieser Strafe mußte sich in Dresden z. B. (im Jahre 1719) ein 
alter Bauer aus der Lommatzscher Gegend unterziehen, weil er mit 
der Peitsche nach der Schildwache gehauen hatte. Manche wurden
	        
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