Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

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über dasselbe hereinbrach. Friedrich II. Pläne, Preußens Macht zu 
vergrößern, erfüllten die Nachbarn mit gerechter Besorgniß. Oesterreich 
und Rußland schlossen daher schon ein Jahr nach dem Dresdner 
Frieden (1746) einen Vertrag, in welchem sie sich gegenseitig Beistand 
versprachen, sobald sie von Preußen angegriffen würden. 
Von einem Bündnisse gegen Preußen (Offensivbündniß), d. h. in 
diesem Falle: Friedrich II. zu überfallen und ihm Schlesien wieder 
abzunehmen — wie man hier und da lesen kann — ist in diesem 
Vertrage nicht die Rede. Unser Kurfürst wurde wiederholt aufgefordert, 
jenem Schutz= oder Vertheidigungsbündnisse (Defensiv-Allianz) 
beizutreten, was er indes ablehnte.) 
Dem preußischen Könige blieben diese Verhandlungen kein Ge- 
heimniß. Hierzu kam, daß sich auch feile Seelen bereitwillig fanden, 
den unglückseligen Posten eines Verräthers zu übernehmen. Leider 
hat auch die Geschichte unsers Vaterlandes von einem derartigen 
ehrlosen Menschen zu berichten, und dies war der Kabinets-Kanzlist 
Menzel.““) Durch Verschwendung und Prunksucht war dieser Mann 
in Schulden gerathen und hatte sich zur Deckung derselben betrügerischer 
Handlungen schuldig gemacht. Um sich gegen die nachtheiligen Folgen 
zu schützen, verschmähte er es nicht, ein zweites Verbrechen zu begehen. 
Der preußische Gesandte (Baron von Malzahn), von Menzels Ver- 
legenheit unterrichtet, ließ ihm sogleich 300 M. auszahlen und 
hoffte, daß er (Menzel) ihm „von Zeit zu Zeit etwas Neues aus 
der Kabinets-Kanzlei mittheile.“ Dieses „Neue“ bezog sich auf die 
zwischen Oesterreich, Rußland und Sachsen gepflogenen Verhandlungen. 
Menzel, dieser Judas, ließ sich von des Goldes Schimmer blenden 
und übernahm die schurkenhafte Rolle eines Landesverräthers.“) 
Mit Hilfe von Nachschlüsseln gelangte er in das geheime Kabinet 
und nahm seit 1753 Abschriften von jenen Verhandlungen, die er 
dem preußischen Gesandten zustellte. 
Vier Jahre lang vermochte er der Welt seine schwarze That 
zu verbergen, aber plötzlich sah er sich entlarvt. Im Jahre 1757 
· *) In dem oft angezogenen 4. Artikel des Petersburgischen Traktates 
ist nur von den Entschädigungen die Rede, welche die verbündeten Mächte 
beanspruchten, sobald sie durch einen Angriff Friedrichs zu einem Kriege 
gezwungen würden. Im Fall des Beitritts wurde Sachsen das Herzogthum 
Magdeburg als Kriegsentschädigung zugesichert. # 
*“) In den bei Menzels Verhör ausgenommenen Protokollen wird er 
nur Kabinetskanzlist, nie geheimer Kabinetskanzlist — wie man oft findet — 
genannt. 
*“) Menzel sagte beim ersten Verhöre aus, daß er seit dem Jahre 1752 
von dem preußischen Gesandten nach und nach 9000 M. bekommen habe. 
Die fast allgemein verbreitete Angabe, daß ihm Malzahn gleich anfangs 
9000 M. geboten, ist falsch.
	        
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