Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

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war selbst den Fürsten wenig Gelegenheit geboten, dergleichen Er— 
holungen im Hoftheater, ferner in Concerten, auf Bällen und anderen 
Hoffesten zu finden. Was Wunder, wenn man diese Lücken auf andere 
Weise ausfüllte! Da war es unter anderem auch einem lustigen Burschen 
gestattet, allerlei Schwänke zum besten zu geben, und selbst ein Friedrich 
der Weise, ein Johann der Beständige, ein Vater August fanden es 
ganz in der Ordnung, dergleichen Hofnarren in ihrer Nähe zu haben. 
Zu August des Starken und seines Sohnes Zeiten fehlte es nun 
zwar an Gelegenheit zur Erholung und Zerstreuung nicht, allein da— 
mals gehörte der Narr noch zur vollständigen Hofhaltung. 
Fielen nach unseren Begriffen manche Späße der Hofnarren 
etwas derb aus, so darf man nicht vergessen, daß bei uns andere 
Ansichten über Anstand und feine Sitten gelten. Die Hofnarren waren 
aber nicht blos Spaßmacher, sie waren in gewisser Hinsicht auch Richter 
ihrer Fürsten und namentlich der Umgebung derselben. Den Narren 
war es nämlich gestattet, den Fürsten in einer Weise die Wahrheit zu 
sagen, wie es außer ihnen sonst kein Mensch wagen durfte. Staunen 
muß man oft über die Freiheit, Frechheit möchte man in einzelnen 
Fällen sagen, welche sich ein Hofnarr gegen den Fürsten ungestraft 
herausnehmen durfte. 
Weit mehr noch erlaubte sich ein Hofnarr gegen die Umgebung 
des Fürsten. Entdeckte er bei dieser irgend etwas Ungehöriges, so 
zog er es gewiß ans Tageslicht. So wollte z. B. unter August dem 
Starken ein Edelmann den Hofnarren Fröhlich bestechen, damit ihn 
dieser zur Erreichung seiner Pläne bei Hofe unterstützen sollte, und 
schenkte ihm deshalb ein Kalb, einen fetten Hammel, einen Hahn und 
zwei fette Gänse. Diese Thiere trieb Fröhlich unter allgemeinem Auf— 
sehen insgesammt nach Hofe und entdeckte dem Kurfürsten die Pläne 
des Edelmannes. Natürlich erntete letzterer nur Hohn und Spott. 
Außer Fröhlich gehörte in der frühesten Zeit Claus zu den 
bekanntesten Hofnarren, welcher von einem armen Gänsejungen un- 
erwartet zu diesem Amte erhoben wurde. Dies ging folgendermaßen 
zu. Kurfürst Ernst reiste mit zahlreichem Gefolge nach Leipzig zur 
Messe. Claus, der in der Nähe der Landstraße einige junge Gänse 
hütete, erblickte in der Ferne eine Anzahl Wagen und Pferde, was 
seine Neugierde erregte. Gar zu gern wollte er den Zug näher in 
Augenschein nehmen. Was sollte aber unterdessen mit den seiner 
Obhut anvertrauten Gänsen geschehen? Ohne langes Kopfzerbrechen 
erfaßt er die jungen Gänschen, steckt dieselben mit ihren Hälsen unter 
seinen Gürtel, nimmt die alte Gans unter den Arm, läuft in diesem 
Aufzuge nach der Landstraße, pflanzt sich mitten unter die Zuschauer 
auf und betrachtet den vorüberfahrenden Kurfürsten mit größter 
Seelenruhe. Plötzlich macht dieser Halt, faßt den Gänsejungen scharf 
ins Auge und muß über dessen Einfalt herzlich lachen. Hierauf
	        
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