Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

— 337 — 
richtet er einige Fragen an den Gänsejungen, welche dieser in aller 
Treuherzigkeit unerschrocken beantwortet. 
Der Kurfürst glaubte, in diesem Knaben ein ganz besonderes Talent 
zu einem Hofnarren zu entdecken und wünschte ihn in seiner Umgebung 
zu haben. Sogleich wurden mit dem Vater die nöthigen Unter— 
handlungen angeknüpft, welche auch sofort zum Abschlusse gelangten. 
Welch eine Wendung trat in dem Lebensgange dieses armen 
Knaben ein! Seinen jetzigen Aufenthalt vertauschte er mit dem Wohn- 
sitze am kurfürstlichen Hofe, wo er sehr bald als Lustigmacher eine 
wichtige Rolle spielte. 
In derselben Eigenschaft finden wir Claus auch unter Kurfürst 
Friedrich dem Weisen, dem er einmal auf eine recht handgreifliche 
Weise seine Ansicht über eine höchst wichtige Angelegenheit kund gab. 
Wie wir früher gesehen, regierte dieser, den Kurkreis ausgenommen, 
seine Länder mit seinem Bruder Johann gemeinschaftlich. Einst wurde 
der Kurfürst angegangen, diese Länder mit seinem Bruder zu theilen. 
Hofnarr Claus wandte sich bald darauf an den Kurfürsten mit den 
Worten: „Fritz, gieb mir Deinen besten Kammerrock!“ Der Kurfürst 
ließ ihn holen. Claus entfernte sich, zerschnitt den theuren Rock in 
zwei Theile, zog die eine Hälfte an und erschien in diesem merk- 
würdigen Aufzuge vor seinem Herrn. Ganz entrüstet über diesen 
Muthwillen, wollte der Kurfürst dem Narren eine Tracht Prügel 
aufzählen lassen; allein dieser wußte den erzürnten Fürsten sehr bald 
zu beruhigen, indem er bedeutungsvoll sagte: „So wie mir dieser 
halbe Rock ansteht, so würde es Dir auch anstehen, wenn Du Deine 
Länder theilen wolltest.“ Dem Hofnarren wurde die Strafe erlassen. 
Den Gebrauch, Hofnarren zu halten, hatten jedenfalls die 
Kreuzzügler aus dem Morgenlande nach Europa verpflanzt. 
X. Das Kurfürstenthum Sachsen bis zur Erhebung 
zum Königreiche, 1763—1806. 
87. Kurfürst Friedrich Christian, 5. Oktober bis 17. Dezember 1763. 
Verdienste als Kurprinz. — Hebung des zerrütteten Landes. — Tilgung 
der Schuldenlast. — Sparsamkeit. — Malerakademie zu Dresden. — 
Des Burfürsten plötzlicher Tod. 
Mit dem Regierungsantritte dieses Fürsten brach über unser 
Vaterland eine neue Morgenröthe an. Schon als Kurprinz hatte 
sich dieser edle Fürst das vollste Vertrauen der Sachsen er- 
worben. In siebenjährigen Kriege ertrug er mit ihnen die Leiden 
und Drangsale. Wo er wußte und konnte, erleichterte er ihnen die 
Geschichte Sachsens. 22
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.