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unter dem deutschen Kaiser und erkannten die Oberhoheit des sächsischen
Kurfürsten nicht an. Dies gab zwischen Beiden bis zum Jahre 1740
zu fortwährenden Streitigkeiten Veranlassung. In genanntem Jahre
schloß unser Kurfürst mit den Herren von Schönburg einen
Vertrag oder einen Receß, nach welchem ihnen zwar gewisse Vor—
rechte belassen wurden, aber in welchem sie versprachen, die Landes-
hoheit, d. h. die oberste Gewalt des Kurfürsten, anzuerkennen.
Im Jahre 1768 suchte sich der Graf von Schönburg (zu Hinter-
glauchau) dieser Oberhoheit wieder zu entziehen. Zwar machte unser
Kurfürst dieselbe aus Liebe zum Frieden nicht mit Gewalt geltend,
gab sie aber keineswegs auf. Später entstand zwischen diesem Grafen
und seinem Schwiegersohn (einem Grafen von Finkenstein) ein Prozeß.
Letzterer behauptete, daß ihm sein Schwiegervater diejenigen 60000.
nicht auszahlen wolle, welche seiner Tochter — der Gattin des
Klägers — rechtmäßig gehörten. Der Kläger wandte sich an den
Kurfürsten, und jetzt machte dieser seine Hoheitsrechte, die er 1768 nicht
aufgegeben, geltend. Um den Grafen zur Auszahlung jener Summe
zu zwingen, besetzte er Glauchau mit Truppen (Executionstruppen).
Eiligst begab sich der Graf von Schönburg nach Wien und bat die
Kaiserin Maria Theresia um Schutz. Anstatt den Grafen einfach
auf den Vertrag von 1740 zu verweisen, ließ sie vielmehr unserm
Kurfürsten die Erklärung zugehen: Der Vertrag von 1740 sei
ungiltig, und der Graf von Schönburg stünde unmittelbar unter dem
deutschen Kaiser. Natürlich protestirte unser Kurfürst gegen diesen
Gewaltstreich mit dem ausdrücklichen Zusatze, er werde von seinen
Hoheitsrechten Gebrauch machen und in den Streitigkeiten zwischen
Schwiegervater und Schwiegersohn die gerechten Ansprüche des Letzteren
durchsetzen.
Anstatt einer Gegenantwort ließ die Kaiserin 150 österreichische
Husaren mit 4 Kanonen über die Grenze rücken und Glauchau besetzen.
Mit diesem unerhörten Gewaltstreiche begnügte sie sich noch nicht, sie
ließ sogar bekannt machen: die schönburgischen Unterthanen hätten
dem Kurfürsten von Sachsen weder Gehorsam, noch Abgaben zu leisten.
Um diesen auch sichtbar vorzuführen, daß sie aus dem sächsischen
Unterthanenverbande geschieden seien, ließ sie sogar an den Grenzen
der drei Receßherrschaften Glauchau, Waldenburg und Lichtenstein
die sächsischen Wappen entfernen und die deutschen Reichsadler auf-
pflanzen. Zwar setzte unser Kurfürst dieser Gewalt nicht wieder
Gewalt entgegen, sondern zog seine Truppen zurück, ließ aber in Wien
feierlichst erklären, daß er zwar der Gewalt weiche, aber auf seine
Hoheitsrechte durchaus nicht verzichte.
Beim Friedensschlusse zu Teschen überließ Maria Theresia ihre
(angeblichen) Hoheitsrechte über die schönburgischen Lande dem neuen
Kurfürsten von Bayern, und dieser trat sie als Entschädigung — außer