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fanden sie hierzu nicht immer Gelegenheit. Seminare für Lehrer
und Lehrerinnen, wie wir jetzt deren in unserm Vaterlande 19 besitzen,
kannte man damals noch nicht.
Sollte die Jugend in der Schule einen gründlichern Unterricht
erhalten, so mußte man auch an Errichtung von Bildungsstätten für
Lehrer denken. In Friedrichstadt-Dresden entstand 1788 das erste
Schullehrer-Seminar. Konnten auch hier bei weitem nicht alle
Jünglinge, welche sich dem Lehrerberufe widmen wollten, Aufnahme
finden, so war doch zur Vorbereitung der Lehrer auf ihren wichtigen
Beruf ein glücklicher Anfang gemacht. Später und noch neuerdings
errichtete man dergleichen Anstalten auch in anderen Städten, und
zwar in Annaberg, Auerbach, Bautzen (zwei), Borna, Dresden (zwei)h,
Grimma (ein Haupt= und ein Neben-Seminar), Löbau, Nossen, Oschatz,
Pirna, Plauen, Schneeberg, Waldenburg, Zschopau und (1856) ein
Lehrerinnen-Seminar in Calluberg bei Lichtenstein und 1875 eins
in Dresden. Aus diesen Anstalten werden jährlich über 300 geprüfte
künftige Lehrer entlassen, nachdem sie dieselben 6 Jahre lang besucht
haben.
Der Taubstummen und Blinden Schicksal ist an sich schon
ein höchst trauriges. Noch trauriger aber war es vor mehr als
80 Jahren, denn da geschah für ihre Ausbildung und für ihr künftiges
Fortkommen so gut als gar nichts. Meistentheils überließ man diese
Unglücklichen sich selbst und so verkümmerten sie an Körper und Geist.
Einige Zeit vor Ausbruch des siebenjährigen Krieges wandte
sich ein junger Mann nach Dresden, um hier sein Unterkommen durch
Privatunterricht in den Familien zu suchen. Dieser Mann hieß
Samuel Heinicke und war eines Landmannes Sohn aus der
Weißenfelser Gegend. Unter anderen lernte der junge Heinicke in der
einen Familie, deren Kinder er unterrichtete, einen taubstummen
Knaben kennen. Dieses Kindes unglückliches Loos jammerte ihn,
namentlich that es ihm in der Seele weh, daß der arme Verlassene
ohne allen Unterricht dahinging. Einen Versuch, ob der Knabe nicht
auch bildungsfähig sei, hielt Heinicke wenigstens der Mühe werth.
Und siehe da, der Versuch übertraf seine Erwartungen.
Die Schrecknisse des siebenjährigen Krieges zwangen Heinicken,
Dresden zu verlassen, und wir finden ihn später als Lehrer in und
dann bei Hamburg. Auch hier verwendete er einen Theil seiner Zeit
auf den Unterricht taubstummer Knaben. Will man diesen kleinen
Kreis von Zöglingen schon eine Anstalt nennen, so war dies das
erste Taubstummeninstitut in Deutschland.
Eines Tages erschien bei Heinicken Besuch aus Dresden. Es
war ein Offizier. Sehr bald wurde dessen ganze Aufmerksamkeit
durch den Unterricht in Anspruch genommen, welchen Heinicke seinen
taubstummen Zöglingen ertheilte. Im Laufe der Unterhaltung gab
Geschichte Sachsens. 23