Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

— 363 — 
erhielt. Mittags verweilte er in der Stadt und begnügte sich mit 
einem Stück Schwarzbrot, das gewöhnlich ein wenig Syrup schmack- 
hafter machte. 
Naumanns Mutter suchte durch Nebenverdienste ihre ärmliche 
Lage einigermaßen zu verbessern, indem sie eine Art Stangenkuchen 
buk, der seiner Güte wegen manchen Gast aus der Stadt anzog. Im 
Jahre 1757 sprach in ihrem einfachen Häuschen unter anderen auch 
der schwedische Kammermusikus Weeström ein, welcher auf einem 
kleinen Klavier einige sehr schwere Musikstücke von Bach (Seite 363) 
liegen sah. Dies erregte seine Aufmerksamkeit, welche in Staunen 
überging, als er vernahm, daß der sechszehnjährige Sohn des Hauses 
diese Stücke spiele. Nachdem er sich von den außerordentlichen musi- 
kalischen Anlagen des jungen Menschen selbst überzeugt hatte, erbot 
er sich, ihn zu seiner weiteren Ausbildung mit nach Italien zu nehmen. 
Eine frohere Kunde hätte des Jünglings Ohr nicht berühren können. 
Nach langem Sträuben erhielt der junge Naumann endlich des Vaters 
Einwilligung. Die Reise ward angetreten, aber schon unterwegs 
sollte der erwartungsvolle Jüngling gewaltig enttäuscht werden. Mit 
größter Härte begegnete ihm der Kammermusikus. Naumann ertrug 
alles geduldig. Die Hoffnung, Italien mit seinen weltberühmten 
Tonkünstlern bald zu erreichen und hier in den Hafen seines Glückes 
einlaufen zu können, gab ihm Kraft zu jener Ausdauer. 
Alles schöne Träume! Alles endlich bittere Täuschung! In 
Italien angekommen, mußte der junge Naumann bei seinem vermeint- 
lichen Gönner die Rolle eines Dieners, sogar eines Koches, und in 
den noch übrigen freien Stunden die eines Notenschreibers über- 
nehmen. Eine härtere Prüfung hätte den strebsamen Jüngling wohl 
kaum treffen können. Manchmal drohte ihn der Schmerz über der- 
artige Erfahrungen zu Boden zu drücken. Wohl ihm, daß er aushielt, 
denn in kurzer Zeit konnte er seinen Eltern schreiben: „Gott betrübt 
wohl, aber er erfreut auch wieder! So hat er auch an mir gethan."“ 
Dem jungen Naumann glückte es nämlich, ein Schüler des welt- 
berühmten italienischen Komponisten Tartini zu werden, von dem er 
bald das Lob erntete, daß er einer seiner besten und liebsten Schüler sei.“) 
Nach einem siebenjährigen Aufenthalt in Italien, in welcher Zeit 
Naumann fleißig studirte, componirte und Ruhm über Ruhm erntete, 
*) In Italien war es auch, wo er mit dem berühmten Kapellmeister 
Hasse zusammentraf. Als er diesem Meister einmal eine Composition zur 
Durchsicht überreichte, bemerkte Hasse in mildem, väterlichem Tone, er (Naumann) 
solle so fortfahren, denn auf diesem Wege werde er sich großen Ruhm er- 
werben. Darüber erfreut, wollte der Jüngling dem Meister die Hand küssen, 
doch dieser drückte ihn liebevoll an sein Herz. Hasse war in den Jahren 
von 1740—1763 Oberkapellmeister in Dresden und hielt sich auch zeitweilig 
in Italien auf. Als er 1763 in Pension trat, wandte er sich anfangs 
nach Wien und dann für immer nach Italien.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.