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erhielt. Mittags verweilte er in der Stadt und begnügte sich mit
einem Stück Schwarzbrot, das gewöhnlich ein wenig Syrup schmack-
hafter machte.
Naumanns Mutter suchte durch Nebenverdienste ihre ärmliche
Lage einigermaßen zu verbessern, indem sie eine Art Stangenkuchen
buk, der seiner Güte wegen manchen Gast aus der Stadt anzog. Im
Jahre 1757 sprach in ihrem einfachen Häuschen unter anderen auch
der schwedische Kammermusikus Weeström ein, welcher auf einem
kleinen Klavier einige sehr schwere Musikstücke von Bach (Seite 363)
liegen sah. Dies erregte seine Aufmerksamkeit, welche in Staunen
überging, als er vernahm, daß der sechszehnjährige Sohn des Hauses
diese Stücke spiele. Nachdem er sich von den außerordentlichen musi-
kalischen Anlagen des jungen Menschen selbst überzeugt hatte, erbot
er sich, ihn zu seiner weiteren Ausbildung mit nach Italien zu nehmen.
Eine frohere Kunde hätte des Jünglings Ohr nicht berühren können.
Nach langem Sträuben erhielt der junge Naumann endlich des Vaters
Einwilligung. Die Reise ward angetreten, aber schon unterwegs
sollte der erwartungsvolle Jüngling gewaltig enttäuscht werden. Mit
größter Härte begegnete ihm der Kammermusikus. Naumann ertrug
alles geduldig. Die Hoffnung, Italien mit seinen weltberühmten
Tonkünstlern bald zu erreichen und hier in den Hafen seines Glückes
einlaufen zu können, gab ihm Kraft zu jener Ausdauer.
Alles schöne Träume! Alles endlich bittere Täuschung! In
Italien angekommen, mußte der junge Naumann bei seinem vermeint-
lichen Gönner die Rolle eines Dieners, sogar eines Koches, und in
den noch übrigen freien Stunden die eines Notenschreibers über-
nehmen. Eine härtere Prüfung hätte den strebsamen Jüngling wohl
kaum treffen können. Manchmal drohte ihn der Schmerz über der-
artige Erfahrungen zu Boden zu drücken. Wohl ihm, daß er aushielt,
denn in kurzer Zeit konnte er seinen Eltern schreiben: „Gott betrübt
wohl, aber er erfreut auch wieder! So hat er auch an mir gethan."“
Dem jungen Naumann glückte es nämlich, ein Schüler des welt-
berühmten italienischen Komponisten Tartini zu werden, von dem er
bald das Lob erntete, daß er einer seiner besten und liebsten Schüler sei.“)
Nach einem siebenjährigen Aufenthalt in Italien, in welcher Zeit
Naumann fleißig studirte, componirte und Ruhm über Ruhm erntete,
*) In Italien war es auch, wo er mit dem berühmten Kapellmeister
Hasse zusammentraf. Als er diesem Meister einmal eine Composition zur
Durchsicht überreichte, bemerkte Hasse in mildem, väterlichem Tone, er (Naumann)
solle so fortfahren, denn auf diesem Wege werde er sich großen Ruhm er-
werben. Darüber erfreut, wollte der Jüngling dem Meister die Hand küssen,
doch dieser drückte ihn liebevoll an sein Herz. Hasse war in den Jahren
von 1740—1763 Oberkapellmeister in Dresden und hielt sich auch zeitweilig
in Italien auf. Als er 1763 in Pension trat, wandte er sich anfangs
nach Wien und dann für immer nach Italien.