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darauf Prinz Louis Napoleon — der spätere Kaiser Napoleon III. —
gestellt wurde. Diese Vorgänge übten in Europa auf einen Theil
der Bevölkerung den gewaltigsten Einfluß aus. Man wollte das
Bestehende umstürzen und mit Einem Schlage eine neue Ordnung
der Dinge schaffen. In Wien, in Berlin, in München ꝛc. entbrannten
die heftigsten Kämpfe.
In dieser Zeit allgemeiner Aufregung bewährte es sich von neuem,
welche Gewalt der durch und durch ehrenwerthe Charakter des Königs
auf die Gemüther auszuüben vermochte. Offen kam er seinem Volke
entgegen und erließ an dasselbe (den 6. März 1848) eine Ansprache,
welche sein Regentenleben im reinsten Lichte erkennen läßt. In der—
selben sagte er unter anderem:
„Ich bin mir bewußt, für das Wohl meines Volkes nach meinem
besten Wissen gewirkt zu haben. Ich bin stolz darauf, daß meine Regierung
an redlicher, offener Verfassungstreue von keiner anderen übertroffen wird.
Mein Volk und selbst das Ausland haben dies anerkannt. Gern vernehme
ich die Stimme, den Rath der verfassungsmäßigen Vertreter meines Volkes,
doppelt gern in Zeiten der Gefahr. Ich werde mich mit ihnen über alles,
was als wahres Bedürfniß für das Staatswohl erscheint, verständigen. Harret
ruhig und im Vertrauen auf das, was ich schon gethan und noch thun
werde, aus. Greift nicht den Befugnissen der von euch selbst gewählten
Landesvertreter vor; nur was im verfassungsmäßigen Wege zu Stande
kommt, trägt die Bürgschaft sicheren Bestehens. Ruhe und Ordnung, Gesetz-
lichkeit, unverrücktes Festhalten an dem Rechtszustande, welchen die Verfassungs-
urkunde begründet hat, Eintracht zwischen Fürst und Volk, Muth und
Vertrauen — das ist es, worauf Deutschlands Freiheit und Selbstständigkeit
beruht; das ist es, wodurch wir allein jeder Gefahr mit Erfolg entgegen-
treten können. — Sachsen, bewahret eure alte Treue!“
Diese Worte verhallten nicht wirkungslos, denn was vom Herzen
kommt, geht wieder zum Herzen. Die aufbrausenden Wellen der
Revolution schlugen nur an die Grenzen unsers Vaterlandes, aber
über dieselben herein drangen sie nicht. Zwar fallen einzelne Aus-
brüche von rohester Zügellosigkeit in jene Zeit; allein diese galten
nicht der Landesregierung. Gemeine Rache und Habgier vergriffen
sich an Privateigenthum, weil man dem Volke von Gütergemeinschaft
vorgepredigt hatte. Den größten Frevel verübte man an dem fürst-
lichen Schlosse zu Waldenburg. Es war am 5. April 1848, als
eine von einigen Anführern erregte Menge in das Schloß eindrang,
dasselbe ausplünderte und einäscherte. Diesen Fall gemeiner Habsucht
und blinder Zerstörungswuth und einige andere Fälle ausgenommen,
blieb Sachsen im Jahre 1848 von den Schrecknissen der Revolution
verschont, so daß der König am Schlusse des Landtags (den 17. November)
sagen konnte:
„Das sächsische Volk hat mit wenigen beklagenswerthen Ausnahmen
inmitten der großen Erschütterungen Europas im ganzen den in ihm
wohnenden Sinn für Gesetz und Ordnung bekundet und darin einen Beweis
politischer Reife gegeben, die sich bei den Völkern in dem Grade ausspricht,