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zuweisen hat. Nachdem sich die Wogen der Empörung wieder gelegt
hatten, kamen viele zu der Einsicht, daß sich durch besonnenes
Vorwärtsschreiten mehr erreichen und weit eher etwas ins Leben
rufen lasse, was sich für die Dauer bewährt.
Gegen alle Heimlich-Halterei hegt unsere Zeit das größte
Mißtrauen. Offen und klar werden deshalb alle Staatsangelegenheiten,
Einnahmen und Ausgaben, dem Lande dargelegt. Ebenso verhält es
sich mit den öffentlichen Gemeindeangelegenheiten eines Ortes. War
es früher z. B. nur wenigen Gemeindegliedern vergönnt, von der
Verwendung der Gemeindegelder Einsicht zu nehmen, so dürfen sich
jetzt dergleichen öffentliche Ortsangelegenheiten nicht mehr ins Dunkel
der Verborgenheit zurückziehen. Mit dem Streben nach Einsicht in
die Angelegenheiten und Verhältnisse des Staates und der Gemeinde
geht ein allgemein ausgebildetes Rechtsgefühl Hand in Hand.
Unsere Zeit verlangt Gleichheit vor dem Gesetz und möglichst gleiche
Vertheilung der Staats- und Kommunalabgaben.
Zu Ende des 16. Jahrhunderts trat eine gänzliche Um—
gestaltung aller Lebensverhältnisse dadurch ein, daß der Werth
des Geldes bedeutend sank und die Preise aller Lebensbedürfnisse
unverhältnißmäßig stiegen. In unserem Jahrhunderte haben wir
Gleiches erleben müssen. Zu Ende der dreißiger Jahre begann der
Geldwerth ebenfalls allmählich zu sinken. Da trat im Jahre 1842
in den heißen Sommermonaten eine furchtbare Dürre ein. Monate
lang stieg die Sonne an jedem Morgen am azurblauen Himmel
empor und sendete ihre glühenden Strahlen auf die nach Regen
schmachtende Erde. Anstatt daß ein Teppich saftreichen Grases die
Wiesen überzog, sah man nur ausgedörrte Halme, welche ver—
geblich nach einem erquickenden Morgen- und Abendthau lechzten; —
anstatt daß körnerreiche Aehren ihr Haupt zur Erde neigten,
standen kleine verkommene auf dem aufgesprungenen, steinharten
Boden; — anstatt daß süßes Obst aus dem Blätterdach der Bäume
uns entgegenlachte, hatte sich hier und da nur noch eine wurm—
stichige, zusammengeschrumpfte Frucht erhalten. Da bemächtigte sich
Besorgniß über Besorgniß der Menschen Herzen. „Was werden wir
essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden?“ —
diese Fragen drängten sich Tausenden beim Blick in die Zukunft auf.
In der That erreichten auch die Preise der unentbehrlichsten
Lebensmittel eine außerordentliche Höhe, die selbst dann nicht be-
merklich zu. weichen begann, als der Spätsommer die gänzlich aus-
getrocknete Erde mit einem fruchtbaren Regen erquickte.
Neue Klagen erhoben sich bei den Landwirthen im Winter und
Frühlinge. Sollte bei dem eingetretenen gänzlichen Futtermangel
das Vieh im Stalle nicht verhungern, so mußte es massenhaft ver-
kauft und geschlachtet werden. Die Butter erlangte deshalb einen