Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

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Küchenjungen in kurfürstliche Dienste zu bringen. Bis jetzt war dem 
abscheulichen Plane alles günstig und Kunz hielt den Zeitpunkt zur 
Ausführung desselben für sehr nahe. Um zu rechter Stunde gleich 
bei der Hand sein zu können, begab er sich in aller Stille zu einem 
seiner Freunde auf das Schloß Kohren. Am 5. Juli 1455 erhielt er 
von dem Küchenjungen Schwalbe einen Brief, der nach dem jetzigen 
Deutsch also lautete: 
„Meinen willigen Dienst sammt allem Lieben und Guten zuvor. 
Ehrbarer, strenger, lieber Junker! 
Da der Kurfürst fest beschlossen hat, morgen Sonntags nach der 
Frühmesse mit den meisten Hofleuten nach Leipzig zu fahren, auch Montag 
Abend der Kanzler ein Gastmahl in seinem Hause ausrichten wird, und 
auf dem Schlosse dazumalen der alte Trabant Asmus allein Dienst hat, 
welcher zuerst eingeschläfert werden muß, und der Pförtner bettlägerig ist, 
so kann ich Euch dies nicht bergen, meiner angelobten Treue gemäß Euch 
zu dienen und Eurer Veranstaltung gewärtig zu sein. 
Altenburg, am Sonnabend nach Mariä Heimsuchung 1455. 
Hans Schwalbe.“ 
Der Brief war adressirt: 
„Dem ehrbaren, strengen Junker Kunz von Kaufungen auf Kallenberg. 
Meinem geneigten lieben Junker zu eigenen Händen.“ 
b) Ausführung des Prinzenraubes. 
Eine freudigere Nachricht hätte Kunz von seinem bestochenen 
Helfershelfer nicht erhalten können. Eilboten flogen zu seinen Mit- 
verschworenen, Leitern aus Leder und Holz wurden gefertigt, und in 
der Nacht vom 7. zum 8. Juli nach 11 Uhr rückte Kunz aus einem 
Walde bei Altenburg gegen das Schloß vor. Fast möchte man denken, 
er habe das Schloß erstürmen wollen, denn die Zahl der Ritter, 
Knappen und Knechte betrug im Ganzen 37. Um möglichst jedes 
Geräusch zu vermeiden, hatte er die Hufe der Pferde mit Stroh 
umwickeln lassen. Zunächst traf man zur Ersteigung der hohen Schloß- 
mauern die nöthigen Anstalten, und hierbei leistete Schwalbe und der 
Knappe Schweinitz, der abends ins Schloß geschlichen war, die 
wichtigsten Dienste. Sie befestigten die Strickleitern an einem Fenster 
der kurfürstlichen Küche, welche Kunz mit neun Gehilfen sogleich 
bestieg. Alles ging nach Wunsch. Der wachthabende alte Trabant 
wurde gefesselt und in ein entlegenes Zimmer gesperrt, außerdem 
wurde das Schlafgemach der Kurfürstin und ihrer Kammerfrau ver- 
riegelt, und nun drang Kunz, als früherer Schloßhauptmann mit der 
Lage der Räume genau bekannt, in das Schlafgemach der Prinzen. 
Der vierzehnjährige Prinz Ernst erwachte von dem entstandenen 
Geräusch, und als er den Ritter mit blankem Schwerte erblickte, rief
	        
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