— 221 —
war seinem Herzen so unfaßbar, daß er plötzlich ohne mein
Wissen seinen besonderen Vertrauten, den Generalfeldmarschall
v. Manteuffel, nach Alexandrow sandte, wo der Zar nunmehr
weilte, um eine Unterredung mit diesem nachzusuchen. Mein
greiser Herr machte dann in der Tat auch am 3. September
1879 den weiten Weg zu dem viel jüngeren Neffen. Hier
lagen sich die hohen Herren in den Armen, küßten sich und
weinten. Aber die Spannung, die vorwiegend von dem
Fürsten Gortschakow, dem General Ignatieff und dem Minister
Milutin erregt wurde, erfuhr trotz dieser herzlichen Begegnung
der Herrscher keine Milderung.
Ich hatte die russische Unfreundlichkeit sehr ernst aufge-
faßt und schon vor der Kaiserbegegnung in Alerandrow
andere Wege eingeschlagen, als mein kaiserlicher Herr, um
der möglichen Steigerung dieser Unfreundlichkeit und deren
dann wahrscheinlichen Folgen zu begegnen. Ich hatte dem
Grafen Andrassy telegraphiert, ob ich ihn sprechen könne, und
darauf hat mir der befreundete österreichisch-ung arische Minister
nicht bloß bejahend geantwortet, sondern sich auch sofort am
27. August selbst in Gastein eingefunden. Hier gab ich ihm
Kenntnis von dem Briefwechsel der beiden Kaiser und meinem
Schreiben an meinen Herrn und sprach ihm die — auch
durch die Berichte unseres Botschafters in Paris usw. unter-
stützte — Besorgnis aus, daß die unfreundliche Haltung
Rußlands gegen Deutschland nur erklärlich sei, wenn das
Zarenreich auf ein Bündnis mit Frankreich hinarbeite oder
dessen gar schon sicher sei.
Darauf erwiderte Andrassy lebhaft etwa: Gegen das fran-
zösisch-russische Bündnis giebt es nur ein Gegengewicht: das
deutsch-österreichische! — Ich stimmte ihm zu, fragte aber:
Ja, würden Sie denn das wollen? — Gewiß, recht gern!
erwiderte er, und ich glaube auch dafür einstehen zu können,
daß mein Kaiser einen solchen Vertrag genehmigen wird. —
Bei meinem kaiserlichen Herrn bin ich dieser Zustimmung