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Inzwischen hatte sich noch ein zweiter Konfliktsgrund ein-
gefunden. Am 14. März meldete mir meine Frau, Herr
von Bleichröder wünsche mich gern gleich zu sprechen. Ich
stellte mich ihm sofort zur Verfügung, denn wie immer der
Mann auch in seinem Privatleben sich gehalten haben mag,
so hat er sich doch mir persönlich immer als ein wirklich
vornehm denkender, uneigennütziger, äußerst kluger, umsich-
tiger und tüchtiger Geschäftsmann bewiesen. Er nahm mir
die große — bei meinen amtlichen Geschäften von mir allein
kaum zu überwältigende — Sorge ab, meine Gelder gut und
sicher anzulegen und zu verwalten, alle meine Einkünfte von
meinen Gütern einzuziehen usw., und gewährte mir dagegen
das an sich ganz unbeschränkte Recht, meine laufenden Geld-
bedürfnisse bei ihm zu erheben. Keine seiner Abrechnungen,
die ganz regelmäßig einliefen, erforderte jemals eine Be-
richtigung. Kurz, ich bin ihm persönlich dankbar ver-
pflichtet.
Sehr erstaunt war ich aber an jenem 14. März, als
Bleichröder mir eröffnete, er sei gekommen, um für den Ab-
geordneten Windthorst eine Audienz bei mir zu erbitten, der
sich deshalb an ihn gewendet habe. Ich erwiderte: Windt-
horst wisse doch, daß er als Abgeordneter jederzeit Zutritt
zu mir habe und dazu keiner Vermittelung bedürfe. Bleich-
röder erwiderte, er habe ihn auch gleich mitgebracht.
Mein unmittelbar hierauf folgendes Gespräch mit Windt-
horst drehte sich ausschließlich um die Frage: wie sich im
neuen Reichstag das Zentrum stellen werde und welche An-
sprüche es erhebe. Windthorst forderte die volle Herstellung
des Zustandes der Gesetzgebung vor 1870, was ich sofort
als „exorbitant“, als „unannehmbar“ bezeichnete. Dieses
harmlose Gespräch wurde dem Kaiser noch am nämlichen
Tage mit der Abweichung von der Wahrheit hinterbracht:
ich hätte den Zentrumsführer durch die Vermittelung Bleich-
röders zu mir bitten lassen, um mit ihm über eine „Koope-