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lich, daß ich Sie sehen darf!“ Bismarck ergriff ihre Hand,
drückte einen Kuß darauf und sagte: „Meine liebe gnädige
Frau, Sie sind sehr freundlich und liebenswürdig, sind Sie
denn aber in meinem herrlichen Walde gewesen, der ist doch
viel schöner anzusehen, als ich alter Mam.“ — „Nein,
Durchlaucht, für eine deutsche Frau ist Bismarck schöner.“
Bismarck winkte dann den Gemahl der Dame heran, gab
auch ihm die Hand und fragte ihn, wo er stände. Als er
die deutsche und preußische Kokarde an seiner Mütze erblickte,
meinte er ganz launig: „Sehen Sie, die Kokarde muß ich
mir auch noch zulegen, ich habe sie noch u#n keiner Mütze.“ Danm
ein freundliches Winken und langsame Rückkehr ins Schloß,
vom Jubel der vielen Umstehenden begleitet.)
Friedrichsruh, Anfangs August 1897.
Außerung nach einem Gewährsmann der „Neuen
Freien Presse“, betreffend Bismarcks esichts-
schmerzen, die Unmöglichkeit desselben, in den Gang
*) Am 19. Juli 1897 wurde der „Deutschen Tageszeitung“ aus
Friedrichsruh geschrieben: Als Bismarck am Sonntag Nachmittag
gegen 4 Uhr seine Spazierfahrt machte, hielt der Wagen am
Tor auf der Landstraße noch einen Augenblick still, da er eine
Meldung eines Lüneburgers Dragoners und eines ehemaligen
Gendarmen aus Friedrichsruh entgegennehmen wollte. Nachdem
er das Gespräch mit den beiden Leuten beendigt hatte, trat
eine erwartungsvolle Stille ein. Man hoffte, er werde auch
einige Worte an das zahlreich versammelte Publikum richten.
Plötzlich rief in begeistertem Tone, der zum Besuch hier weilende
Fabriksbesitzer Bauvier aus Chönée (Belgien): „Vive le Prince
de Bismarck, Pillustre fondateur de l’empire d’Allemagne“,
worauf Bismarck antwortete: „Je vous remercie bien, Mon-
sieur"“. Die Hochrufe der Menge wollten nicht enden. Viele
wandten sich an den Belgier, um ihm ihre Freude über das von
ihm ausgebrachte Hoch auszudrücken. Bismarck sah sehr wohl
aus, er stieg bei der Rückkehr ohne Hilfe aus dem Wagen und
entledigte sich seines Mantels.