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Berlin, 14. März 1390.
Unterredung mit dem Abgeordneten Dr. Windt-
horst, betrefsfend die Ansprüche des Zentrums in
dem neugewählten Reichstag.“
Bismarck hatte das geschäftliche Bedürfnis, zu erfahren,
welche Haltung das Zentrum in dem damals neu gewählten
Reichstage annehmen werde, und welches die Ansprüche seien,
die dasselbe stellen werde. Von dem Versuche, irgend eine
Kooperation einzuleiten, war keine Rede. Er verhielt sich
lediglich sondierend und Windthorst motivierend, d. h. die
Bedürfnisse des Zentrums nach Maßgabe der Stimmung der
Wähler darlegend. Letzterer sprach sich dahin aus, daß das
Zentrum die Herstellung des status duo ante 1870 in allen
wesen wäre, das Reichstagswahlrecht zu ändern, falls nach seiner
Ueberzeugung durch die Beibehaltung das Reich gefährdet
werden könnte. Wenn eine nach der festen Ueberzeugung
der maßgebenden Kreise notwendige Heeresvermehrung vom
Reichstage abgelehnt wird, dann muß jeder Staatsmann,
er mag heißen, wie er will, zur Auflösung des Reichstages
schreiten und darf auch nicht davor zurückschrecken, die letzten
Konsequenzen zu ziehen. Daß Biemarck diese letzten Konse-
quenzen zu ziehen entschlossen war, hat er bekanntlich als preußi-
scher Ministerpräsident bewiesen. Das Delbrück'sche Gerede aber,
daß er in den letzten Zeiten seiner Kanzlerschaft nach einem
Konfliktsstoffe gesucht habe, ist haltlos, und diese Haltlosigkeit
wird durch die Egelhaaf'sche Erklärung von neuem durchschlagend
bewiesen.“
*) Nach den „Hamburger Nachrichten“ vom 25. November
(M. A.) 1891. Ueber die Frage, von wem die Initiative zu.
dieser Unterredung ausgegangen, siehe „Hamburger Nachrichten“,
Nr. 297 vom 19. Dezember 1898. Außerdem vgl. über die
Unterredung Johs. Penzler „Fürst Bismarck nach seiner Ent-
lassung“, Bd. II, S. 196, Bd. III, S. 22 und 37, Bd. IV,
S. 95 und 148, Bd. VII, S. 350 und 355; die „Münchner
Allgem. Ztg.“ vom 17. Januar 1907 und die Darstellung #s
Straßburger Professors Dr. Martin Spahn „Berliner Börsen-
Zeitung“ Nr. 33 vom 20. Januar 1907.