Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

Berufsrecht der Ärzte — Berufstätigkeit. 
von Wissen und Können, Tatsachen be- 
gegnet, deren Vorhandensein ihm nicht 
bekannt sein kann, so z. B. bei jedem in- 
neren Eingriff: ein Arzt nimmt eine La- 
parotomie vor, um einen Ovarientumor zu 
exstirpieren, und entdeckt nun erst, wäh- 
rend der Operation, ein Karzinom des 
Uterus; darf er auch hier einen Eingriff 
vornehmen? — Nur um diese Frage, ob 
der Arzt ohne Ermächtigung bzw Einwil- 
ligung eine Operation (bzw eine den ur- 
sprünglichen Umfang überschreitende 
Operation) vornehmen darf, handelt es 
sich bei den Erörterungen um das B. In 
allen anderen Fällen liegt entweder eine 
durch die Einwilligung des Operanden 
bzw seines Gewalthabers gedeckte, recht- 
lich erlaubte Handlung vor, oder der Arzt, 
der gegen den Willen des Betroffenen 
operiert, begeht eine Körperverletzung. 
Vgl namentlich RG 25 375, 38 34. 
Die Frage, ob der Arzt nach pflichtmäßi- 
gem Ermessen eine Operation vorzuneh- 
men hat, auch wenn eine Einwilligung 
fehlt, ist zu verneinen. Es besteht kein 
Kurierzwang, niemand kann zum Gesund- 
werden, zum Lebenbleiben gezwungen 
werden. Deshalb besteht keine Berufs- 
pflicht des Arztes: nur der Vertrag mit 
dem Patienten rechtfertigt die Tätigkeit 
des Arztes, daher ist auch der Inhalt des 
Vertrages, insbesondere der Wille des 
Patienten (der freilich dem Arzte freie 
Hand lassen kann) bestimmend. 
Fehlt aber eine solche Berufspflicht, so 
ist auch ihr Korrelat, das B, zu verneinen; 
freilich nicht aus dem Grunde, „weil zu- 
folge der Kurierfreiheit das, was der Arzt 
tun darf, auch dem Nichtarzt freisteht‘‘ 
(Frank 354): Beruf und Stand sind 
zweierlei, auch der Nichtarzt hätte den 
Schutz eines B zu erwarten, wenn er 
einen solchen Beruf übt. Aber das B wäre 
ein Recht ohne Pflicht; wollte man es an- 
nehmen, so wäre der Patient der Willkür 
auch eines messerfreudigen Operateurs 
ausgeliefert. Dem menschlichen Erken- 
nen sind aber Grenzen gesetzt, und ein 
verhängnisvoller Irrtum kann irreparablen 
Schaden herbeiführen. Wenn insbeson- 
dere Frank 355 einen ‚der ärztlichen 
Wissenschaft entsprechenden Eingriff“ 
auch an bewußtlosen Personen gestatten 
will, falls ihre Einwilligung in bewußtem 
Zustande zu erwarten gewesen wäre, so 
ist dies nicht folgerichtig. Eine allgemein 
gültige, feststehende, wunabänderliche 
  
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Heilkunde besteht nicht; es läßt sich so- 
gar im Gegenteil ein überraschender 
Wechsel, ja eine Umkehr beobachten 
(z. B. bei der Bierschen Stauung, bei der 
Wundbehandlung). Jeder Arzt könnte 
also seinen gegenwärtig noch nicht als 
richtig erkennbaren Theoremen ein Opfer 
bringen. Kommt es aber auf die (still- 
schweigende) Einwilligung an, dann ist 
der hier vertretene Standpunkt allein kon- 
sequent. 
Für das Bnamentlich v. Liszt Lehrbuch 153; Meyer- 
Allfeld 217; R. Bohmidt Strafrechtliche Verantiort- 
lichkeit des Ärzte -- gegen die Annahme, daß 
einer Arztlichen Tat kalt (Operation) eine Körperverletzung 
liegen könne: Frank Kommentar 354; Stooß Chirur- 
gische Operation, 98; Binding Lehrbuch 1 53 (vgl aber 
Grundriß 198); Beling Lehre vom Verbrechen 151; 
v. Bar im GerS 60 81. P. 
Berufstätigk eit, ihre kriminelle Be- 
deutung. Die Feststellung, welchem Be- 
rufe eine bestimmte Persönlichkeit ange- 
hört, ist häufig für die Rekognoszierung 
unbekannter Personen und Leichen von 
ausschlaggebender Bedeutung. Eine An- 
zahl von Berufen hinterläßt bleibende 
Merkmale am Körper, insbesondere an 
der Hand. Die Hand eines Schusters, 
eines Schneiders, eines Schmiedes, eines 
Korbflechters, eines Schriftsetzers bieten 
durch die Gestalt der Hände und der ein- 
zelnen Finger, die Beschaffenheit der 
Fingernägel und vor allem die im Innern 
der Hand befindlichen Schwielen und 
Hornhäute zahlreiche Kennzeichen. Viele 
Merkmale bestehen in bleibenden Verän- 
derungen der Hand- und Fingerknochen, 
Schwund oder Verdickung gewisser Kno- 
chenteile, Verschiebungen in den Gelen- 
ken usw. Die Verwertung derartiger 
Merkmale ist heutzutage allerdings durch 
die auf allen technischen Gebieten ver- 
breiteten Maschinen schwierig geworden, 
da deren Bedienung die verschiedensten 
Merkmale hinterläßt, die zum Teil bei 
ganz verschiedenen Berufen übereinstim- 
men. Aber auch die prägnantesten Merk- 
male kann nur der verwerten, der diesel- 
ben bereits mindestens einmal in Wirk- 
lichkeit beobachtet hat. Als Beispiele der- 
artiger Merkmale seien hier nur folgende 
genannt. An der rechten Hand des Schu- 
sters sind die Finger, vor allem der Dau- 
men, auffallend breit und abgeplattet. Die 
seitliche Fläche des Zeigefingers ist in- 
folge des Greifens und Einfügens der 
Schuhnägel abgeflacht, so daß der Finger 
nach oben eine spitze Form erhält. — Die 
Hand des Schmiedes ist kurz, dick und 
klumpig. An der rechten Hand sind die
	        
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