128 Eiftes Buch. Zweites Capitel.
wäre, er sei unschätzbar am Tage der Schlacht; aber Unternehmungen
auszuführen, zu denen Ruhe und Bedachtsamkeit gehöre, dazu fehle
es ihm an Geduld; sobald er glaube, seiner Sache sicher zu sein, so
überlasse er sich dem Vergnügen; er sei hartnäckig und mache sich
eine Partei in der Armee. Dagegen sei auf die Entschlossenheit des
Prinzen Leopold von Dessau an einem Schlachttage wenig zu zählen,
aber für die militärische Verwaltung, die Herbeischaffung von Lebens-
mitteln, habe er eine vortreffliche Gabe; zwischen beiden könne keine
Sympathie stattfinden 1).
Jetzt nun schien es hauptsächlich auf das letzte anzukommen.
Die Truppen cantonnirten in ihrer Schlachtordnung bei Bohdanetz
und Chlumetz. Die beiden wichtigsten Posten jenseit der Elbe, Par-
dubitz und Collin, waren so gut wie möglich besetzt, der letzte, durch
den man mit Prag in Verbindung blieb, unter einem der besten
preußischen Offiziere, dem General Nassau; die namhaftesten Ueber-
gänge über die Elbe waren verschanzt; Husarenpatrouillen durchstreiften
von einer Viertelstunde zur andern das Ufer.
Mit alle dem war jedoch der Fluß, der hier zwischen flachon
Ufern in geringer Tiefe dahinrinnt, nicht zu behaupten; der Anschein,
als verleihe er einigen Schutz, vermehrte nur die Gefahr.
Einmal war den Oesterreichern der Versuch, über den Fluß zu
setzen, schon mißlungen; am 19. November aber führten sie ihn, in
der Nähe uralter und bis auf den heutigen Tag gebräuchlicher Fäh-
ren, zwischen Teltschitz und Teinitz, auf das Glücklichste aus. Nicht
als hätten sie keinen Widerstand gefunden: Georg Wedel setzte sich
den zuerst hinübergekommenen Grenadieren mit einer Tapferkeit ent-
gegen, welche ihm einen poetischen Lobspruch des Königs und die Be-
wunderung der Feinde verdiente, aber ihrer immer wachsenden Anzahl
war er mit seinen zwei Bataillonen viel zu schwach. Die ganze
Armee des Prinzen Carl kam herüber und nahm eine feste Stellung
1) Valori, 22. Dec. 1744: il me dit, quil ne croyoit pas, qu’il F ect
un plus brave homme dans le monde uy plus propre au jour d’affaire
qu’il le regrettoit toujours dans ces moments, mais qu’il étoit opiniätre
et se livroit à son plaisir, dèes qu’il croyoit avoir mis ses troupes en
s6curitée, qu’au contraire prince Leopold Ctoit une poule mouillée quand
il est question de combattre mais que pour les détails Gune armée et
les expédiens pour la faire subsister personne D'y étoit plus propre;
que ces deux hommes ue peuvent sympatbiser; et due M’ de Schwerin
se faisoit un parti dans Varmée. In den gedruckten Memoiren wird nur
einer Meinungsverschiedenheit über eine Bewegung der Armee gedacht; der
Gegensatz war viel allgemeiner.