156 Elftes Buch. Biertes Capitel.
grafen Carl, der mit 11 Bataillonen zu Fuß und 30 Schwadronen
diesen Platz inne hatte, zurückzukommen. Es gehört zu den berühm-
testen Thaten Ziethens, daß er sich mit einer mäßigen Begleitung
durch alle die zahlreichen Feinde, welche die Defileen und engen Pässe
zwischen der Armee und dem Markgrafen inne hatten, seinen Weg
zu diesem bahnte, um ihm den Befehl zu bringen. Manchem dieser
Fremdlinge erschienen Ziethens Husaren so unerwartet, daß er sie für
eine befreundete Schaar hielt und leicht in ihre Gefangenschaft ge-
rieth 1). Aber bei weitem ernstlichere Schwierigkeiten bot nun der
Rückzug des Markgrafen Carl dar. Die Oesterreicher hatten die wald-
bedeckten Höhen, zwischen denen der Weg, den er nehmen mußte, hin-
durch führte, mit zahlreichem Volk und an den geeignetsten Stellen
mit Geschützen besetzt; sie dachten das Corps zu umringen und durch
einen Angriff auf allen Seiten zu vernichten. So weit aber ließen
es die Preußen nicht kommen. So wie sich der Feind ihrer Nachhut
näherte, kehrten sie um, warfen die erste und die eng daran ge-
schlossene zweite Linie des Fußvolkes, ohne von ihrem Schießen ge-
hindert zu werden, über den Haufen, sprengten auch die Cavallerie,
die dem Fußvolk zu Hülfe kam, auseinander und zogen dann um so
stolzer ihre Straße, mit allem ihrem Gepäck und Geschütz, das um
einige österreichische Kanonen vermehrt worden war, ohne daß man
sie weiter anzugreifen gewagt hätte. Die weißen Monturen von
Ludwig Würtemberg-Dragonern waren mit Blut gefärbt, denn das
Handgemenge war ein starkes gewesen. Eine Waffenthat, die der
König hoch aufnahm; er urtheilte, daß sein Vetter ein würdiger Enkel
des großen Kurfürsten sei, und bezeigte den Offizieren im Angesicht
der Armce seine Anerkennung ihres Verdienstes.
Noch an einer dritten Stelle, an den niederschlesischen Gebirgs-
pässen, gab es unaufhörlich Lärmen. Die schlesischen Bauern nahmen
thätigen Antheil; wie oft haben sie gefangene Husaren eingebracht,
oder, nachdem sie diese erschossen, wenigstens ihre Pferde, die man
1) Die Erzählung von Frau von Blumenthal in Ziethens Leben I, 472
enthält viele sagenhafte Elemente. Nach dem Bericht des Prinzen Ferdinand
beruhte der glückliche Erfolg vornehmlich darauf, daß der Markgraf, der aus
der Ferne schießen hörte, den kommenden 5 Escadrons Bronikowsky entgegen-
schickte, die den Panduren, mit denen sich Ziethen schlug, in den Rücken fielen.
Von der Absicht Ziethens, seine Leute als Oesterreicher erscheinen zu lassen,
weiß Prinz Ferdinand nichts; doch erzählt er von einem Capitain des Dal-
matines, qui croyoit bonnement, voyant venir les 5 escadrons de Zieten
que c'étoit le regiment de Spleny. Dies hat wohl zu der ganzen Exzäh-
lung den Anlaß gegeben.