Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 29. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. (29)

224 Zwölftes Buch. 
Reichstag, was dann auf die Reichskreise zurückwirkte, wo die 
Mehrheit der Stimmen oder die größere Macht der Geistlichen, wie 
die des Bischofs von Würzburg in Franken, die Beschlüsse entschied. 
Friedrich hatte gehofft, das Kurhaus Sachsen nicht allein durch die 
gute Behandlung, die er dem Lande wie dem Hofe zu Theil werden 
ließ, sondern auch durch einige Aussicht auf Vergrößerungen von 
Oesterreich loszureißen — er hätte damals nichts dagegen gehabt, 
daß durch irgend eine Abkunft die Stadt Erfurt von dem Erzstift 
Mainz getrennt und mit Kursachsen verbunden worden wäre; in den 
geheimen Artikeln des Dresdner Friedens ist ausdrücklich davon die 
Rede —, aber gar bald zeigte sich, daß dies nicht die Politik des 
Grafen Brühl war; er hielt auch nach dem Frieden an der Verbin- 
dung mit Oesterreich fest. Dasselbe war der Fall mit Hannover. 
Wir haben im Eingang ausgeführt, wie sich das Territorial= 
fürstenthum in der Opposition gegen die höchste Reichsgewalt entwickelt 
hat, und wie auch der preußische Staat auf demselben Grunde be- 
ruhte. Friedrich II hatte einen Anlauf genommen, ohne daß er darum 
selbst nach der Krone gestrebt hätte, auf die allgemeinen Angelegen- 
heiten von Deutschland einen überwiegenden und leitenden Einfluß zu 
gewinnen, auf der Grundlage des weltlichen Fürstenthums das Reich 
für immer umzugestalten. Es leuchtet ein, daß er mit dieser Absicht 
vollständig gescheitert war. 
So weit Friedrichs Macht auch Alles übertraf, was sich jemals 
neben den Kaisern erhoben hatte, so ward doch das Verhältniß nicht 
gänzlich umgewandelt, und der neue Staat behielt den Charakter des 
Widerstandes gegen die auf andern Grundsätzen beruhende Reichs- 
gewalt. 
Es war nicht freie Wahl, sondern die Nothwendigkeit der Dinge, 
was dem preußischen Staat seine Stellung anwies. Er war durch 
keinen Anfall in den Umkreisen seines Besitzthums erschüttert worden, 
aber zurückgedrängt in jeder weiteren Bewegung nach Deutschland, 
fiegreich für sich, besiegt im Reiche. 
Friedrich, der ohnehin nie die ganze Kraft seines Geistes in die 
Reichsangelegenheiten geworfen hat, nahm diese Stellung an, aber er 
war viel zu mächtig, um sich in eine Unterordnung zu fügen: er be- 
trachtete sich fast mehr zufällig als deutschen, dem Wesen nach als 
europäischen Fürsten. 
Darin lag die Richtschnur für seine Politik nach Außen und 
nach Innen.
	        
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