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tigkeiten, wenn die Brtheiligten sie durch
gemeinschaftliches Einverständniß nicht beizu-
legen vermögen, gehört an das Ministerium
des Innern, welches die Sache nach Ver-
häleniß der Umstände vor den geheimen Rath
bringen wird.
. 108. Wird aber daruͤber gestritten:
ob eine oder die andere Gemeinde zu der Kir-
ch- berechtigel sey, so gehört die Entschei-
dung vor den ordentlichen Nichrer.
DD. loy. Win nicht erhellet, daß bei-
de Gemeinden zu der Kirche wirklich berech-
tivet sind, so wird angenommen, daß dieje-
nige, welche zu dem gegenwärtigen Mitge-
brauche am spätesten gelangt ist, denselben als
eine widerrufliche Gefälligkeit erhalten habe.
I. 110. Selbst ein vieljähriger Mitge-
brauch kann, für sich allein, die Erwerbung
eines wirlklichen Rechteo durch Verjährung
künftig nicht begründen.
. 111. Wenn jedoch ausser diesem
Mitgebrauche auch die Unterhaltung der Kir-
che von beiden Gemeinden bestritten worden,
so begründet dieß die Vermuthung, daß auch
der spärer zum Mitgebrauche gekommeneu
Gemeinde ein wirbliches Recht darauf zusiehe.
I. 112. So lange eine Gemeinde den
Mitgebrauch nur bittweise hat, muß sie bei
jedec#maliger Ausübung einer bisher nicht ge-
wöhnlichen gottesdienstlichen Handlung die
Erlaubniß der Vorsteher dazu nachsuchen.
I. 113. Den im Mitgebrauche einer
Kirche begriffenen Gemeinden stehr es jeder-
zeit frei, durch freiwillige Uebereinkunft den-
selben aufzuheben, und das gemeinschaftliche
Kirchen-Vermsgen, unter Unserer Genehmi-
tung, welche durch das Ministerium des In-
nern eingeholt werden muß, abzutheilen, und
für jede eine gesonderte gottesdienstliche An-
stalt zu bilden.
. 114. Auch kann eine solche Abthei-
lung von der Staatogewalt aus polizeilichen
oder administrativen Erwägungen, oder auf
Ansuchen der Betheiligten verfügt werden.
. 115. Wenn ein Religions-Theil kei-
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nen eigenen Kirchhof bessst, oder nicht bei
der Theilung des gemeinschaftlichen Kirchen-
Vermögens einen solchen für sich anlegt, so
ist der im Orte befindliche als ein gemein-
schaftlicher Begräbnißplaz für sämtliche Ein-
wohner des Ortes zu betrachten, zu dessen
Anlage und Unterhaltung aber auch simtlie
che Religions-Verwandte verhältnißmässig
beitragen mussen.
I. 116. Kein Geistlicher kann gezwun-
9an werden, das Begrätuniß eines fremden
Religions-Verwandten nach den Feierlichkei-
ten Feiner Kirche zu verrichten.
§. 117. Wird derselbe darum ersüuche,
und findet er keinen Austand, dem Begräb=
nisse beizuwohnen, so müssen ihm auch die da-
für hergebrachten Gebühren enrrichtet werden.
I. 113. Der Glocken auf den Kirch-
höfen kann jede öffentlich aufnenommene
Kirchen-Gemeinde bei ihren beichenfeierlich-
keiten, gegen Bezahlung der Gebühr, sich be-
dienen.
Nach diesen Grundsazen sollen künftig die
Rechte und Dtichten Unserer Unterthanen
in ihren äusseren Religions-Verhälenissen be-
urtheilt werden; — ihre speciellere Anwendung
auf die in Unserm Königreiche bestehenden
einzelnen Religions= und Kirchen-Gesellschaf
ten wird in besonderen organischen Gesezen
und Verordnungen folgen.
Alle Geseze und Herkommen, welche ge-
gen die Bestimmungen dieses Edikts seither
eingeführt waren, werden für ungültig und
aufgehoben erblärt, und nur diejenigen kirch-
lichen Staats-Polizei-Geseze, welche entwe-
der darin auedrücklich bestätiget worden
sind, oder mit desselben Grundsäzen überein-
stimmen, sollen eine fernere verbindliche Kraft
behalten.
München den 24. März 1309.
Mar Joseph.
Freiherr von Montgelas.
Auf kbniglichen allerhöchsten Befehl
der General-Sekretär
F. Kobell.